European Heavy Lift Launcher Machbarkeitsstudie
Published on Fr, 05.05.2023 – 13:30 CEST in Upstream, covering ESAEs klingt paradox: Auf der einen Seite werden allein in Deutschland aktuell gleich drei Microlauncher entwickelt. Auf der anderen Seite wurden mit den Starts von Space Launch System und Starship neue Rekorde hinsichtlich Schubkraft und Nutzlastkapazität aufgestellt. Nun hat die Europäische Raumfahrtagentur ESA eine Studie für den Bau einer wiederverwendbaren Schwerlastrakete (European Heavy Lift Launcher) in Auftrag gegeben. Bis September 2023 soll sie abgeschlossen sein, durchgeführt wird sie von Arianespace und Rocket Factory Augsburg.
Josef Aschbacher hat zweifelsohne keinen einfachen Job. Seit seinem Amtsantritt am 1. März 2021 arbeitet der Generaldirektor der ESA mit Hochdruck am Umbau der Europäischen Raumfahrtagentur. Denn deren Starr- und bisweilen auch Sturheit hat dazu geführt, dass sie im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten ist. Am deutlichsten zeigt sich das wohl im Bereich der astronautischen Raumfahrt. So gibt es derzeit weder ein einsatzbereites europäisches Raumschiff noch eine Rakete, die dieses ins Weltall bringen könnte. Überhaupt ist der Zugang zum All schon jetzt deutlich eingeschränkt und wird es in naher Zukunft noch mehr. Denn auf die Ariane 5 wartet nur noch ein Flug, bevor das Lastenpferd ausgemustert wird. Ihre Nachfolge soll die Ariane 6 antreten, die allerdings immer noch weit von der Einsatzbereitschaft entfernt ist. Ganz abgesehen davon ist sie weder hinsichtlich Entwicklungs- noch Startkosten günstig, geschweige denn wiederverwendbar.
Die Europäische Raumfahrt steht aktuell mit dem Rücken zur Wand
Hier rächt sich die jahrelange trügerische Annahme, dass es weder die Technologie noch einen Markt für wiederverwendbare Raketen gibt. Unterdessen hat SpaceX das Gegenteil bewiesen und sich quasi ein Monopol für günstige Starts geschaffen. Spätestens seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dem damit verbundenen Wegfall russischer Kapazitäten steht Europa damit mit dem Rücken zur Wand. Abhilfe sollen Microlauncher schaffen, die in etwa eine Tonne Nutzlast in den Orbit bringen können. Im Rahmen des vom DLR initiierten Nutzlastwettbewerbs wurden mit HyImpulse, Isar Aerospace und der Rocket Factory Augsburg (RFA) gleich drei Unternehmen gefördert, wovon Isar Aerospace und RFA jeweils 11 Millionen Euro erhalten haben. Beide haben ihre Erstflüge für Ende 2023 angesetzt, HyImpulse wird zunächst eine Höhenforschungsrakete als Technologiedemonstrator launchen.
Ariane 6 zu langsam für das Space Race 2.0
Doch trotz der hohen geplanten Startkadenzen (in etwa ein Start pro Woche) werden die Kapazitäten nicht ausreichen, um einen souveränen europäischen Zugang zum All zu schaffen. Abgesehen davon sind Microlauncher dafür ausgelegt, kleine Nutzlasten in den erdnahen Orbit zu bringen. Sollen jedoch große Satelliten oder Sonden in zum Beispiel geostationäre Orbits oder darüber hinaus transportiert werden, braucht es leistungsstarke Trägerraketen. Für astronautische Missionen sind diese ebenso unabdingbar. Unter diesem Gesichtspunkt wird die Ariane 6 sicher ihren Platz finden und damit gewissermaßen eine Daseinsberechtigung haben. Um jedoch im aktuellen Space Race 2.0 mithalten zu können, braucht es mehr.
Dessen scheint sich die ESA durchaus bewusst zu sein und hat bereits 2003 das “Future Launchers Preparatory Programme (FLPP)” ins Leben gerufen. In dessen Rahmen sollen Projekte in den Bereichen Antriebe, Werkstoffe und Verfahren, Wiederverwendbarkeit, Strukturen und Mechanismen, Avionik und Lenk- und Navigationssteuerung (GNC) sowie End-to-End-Systeme und Missionen durchgeführt werden. Allzu eilig schien man es in den letzten zwanzig Jahren jedoch nicht zu haben und verwies auf der entsprechenden Website direkt darauf, dass Entwicklungszyklen von einem Jahrzehnt durchaus üblich sind.
Rocket Factory Augsburg und Arianespace mit Machbarkeitsstudie zu European Heavy Lift Launcher beauftragt
Zahlreiche NewSpace-Startups beweisen jedoch, dass es deutlich schneller geht. Und zumindest für die Machbarkeitsstudie zur Entwicklung einer vollständig wiederverwendbaren Schwerlastrakete liegt ein straffer Zeitplan vor. Bis Ende September 2023 laufen die Verträge, die die ESA mit Arianespace und der Rocket Factory Augsburg geschlossen hat. Wie die Raumfahrtagentur schreibt, soll im Rahmen der Studie die Machbarkeit bewertet und die Schlüsseltechnologien ermittelt werden, die für die Entwicklung eines europäischen Schwerlastträgers erforderlich sind. Der “European Heavy Lift Launcher” (EHLL) soll zukünftig Nutzlasten mit hoher Kadenz zu niedrigen Preisen ins All bringen. Ein Punkt, für den die geplante Wiederverwendbarkeit Stand heute unabdingbar ist.
Untypisch für den Einsatzbereich einer Schwerlastrakete wird der EHLL zunächst jedoch für Missionen in den Low Earth Orbit (LEO, niedriger Erdorbit) optimiert werden. Ebenfalls im Fokus steht die Minimierung der Umweltauswirkungen. Schließlich sieht der Green Deal der EU vor, die Treibhausgasemissionen bis 2030 auf 55 Prozent des Wertes von 1990 zu reduzieren. Ab 2050 will die EU dann ein klimaneutraler Kontinent sein.