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Raumfahrtkonsortium baut europäisches Satellitennetzwerk auf

Published on Mo, 13.12.2021 – 23:38 CET in Upstream, covering UN:IO

Zum Start der World Satellite Business Week in Paris wurde die Gründung des Konsortiums “UN:IO” bekannt gegeben. Unterstützt werden die 14 Mitglieder auch von der Europäischen Kommission.

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Satelliteninternet “Made in Europe” ab 2025

Es ist nicht weniger als ein Paukenschlag: Ende 2023 soll ein erster Demonstrator starten, schon 2025 soll das europäische Satellitennetzwerk einsatzbereit sein. Ein ambitioniertes Vorhaben, mit dem souveräne Kapazitäten für kommerzielle und institutionelle Kommunikationskanäle sichergestellt werden sollen. Und die sind dringend notwendig. Denn bei Breitband-Internet an jedem Ort der Erde, autonomen Fahr- und Flugzeugen, vernetzten Industriemaschinen oder bei der Unterstützung militärischer bzw. humanitärer Einsätze können Abhängigkeiten von Drittstaaten oder geringe Datenübertragungsraten zum Flaschenhals werden. Schon jetzt liegt Europa im Vergleich zu den USA oder China zurück. Während die Chinesen ihr Netzwerk weitgehend unauffällig aufgebaut haben, macht in den USA vor allem SpaceX keinen Hehl aus den Starts zum Aufbau der unternehmenseigenen Starlink-Konstellation. Doch bestehende, fremde Infrastrukturen zu nutzen ist nicht nur ein wirtschaftliches Risiko, sondern birgt auch Gefahren hinsichtlich der Datensicherheit.

In zehn Jahren wird die permanente, zuverlässige und sichere Konnektivität an jedem Punkt der Erde so selbstverständlich sein wie die Luft zum Atmen. Eine europäische Konstellation ist das Gegengewicht zu den amerikanischen und chinesischen Systemen und wird den uneingeschränkten und freien Zugang zum Internet für alle Menschen sicherstellen.

Walter Ballheimer, CEO REFLEX Aerospace

Verständlich also, dass auch die Europäische Kommission stark an einer eigenen Lösung interessiert ist und ihr höchste Priorität einräumt. Erst vor wenigen Tagen wählte sie das UN:IO Konsortium für eine von zwei Studienausschreibungen aus, die mit 1,4 Millionen Euro dotiert und explizit an New Space-Unternehmen adressiert sind. Entsprechend der Förderbedingungen müssen der EU innerhalb von sechs Monaten detaillierte technische Lösungen präsentiert werden. Dabei liegt die Messlatte hoch. Denn einerseits müssen die mit dem “Green Deal” der Europäischen Union verbundenen Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt werden. Andererseits sollen die Daten durch Quantenverschlüsselung hochgradig gegen Cyberattacken geschützt werden. Aufgaben, die beim Blick auf die Mitglieder des Konsortiums durchaus machbar erscheinen.

KMU als Treiber der Souveränität

Zugpferde des UN:IO-Konsortiums sind drei Unternehmen, deren verbindendes Element vor allem eine in der Raumfahrtbranche hochangesehene Persönlichkeit ist: Bülent Altan. Um den früheren Chefingenieur bei SpaceX und heutigen CEO von Mynaric bündeln sich damit alle Kompetenzen, die es für den Aufbau einer Satelliten-Konstellation braucht. Angeführt wird das Konsortium von REFLEX Aerospace, einem Startup, das mit seinen leistungsstarken und auf individuelle Anforderungen zugeschnittenen Satelliten den Markt revolutionieren will. Das Ottobrunner Unternehmen Isar Aerospace übernimmt die Funktion des Startdienstleisters. Der Gilchinger Spezialist für Laserkommunikation Mynaric ermöglicht die schnelle und sichere Datenübertragung.

UN:IO kommt überraschend, ist aber lange geplant

Die Planungen zum Aufbau dieses Konsortiums liefen zwar bereits seit längerer Zeit, dennoch kam der Launch einigermaßen überraschend. Noch zum Kick-off der NewSpace-Initiative des BDI stellte Sven Meyer-Brunswick (C3PO, Mynaric) dem Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) im NewSpace-Ampeltalk die Frage, welche Ambitionen die neu gewählte Bundesregierung hinsichtlich einer eigenen Satelliten-Konstellation hat. Dessen Antwort blieb vage, nun also machen die Unternehmen Nägel mit Köpfen. Denn Mitglieder des Konsortiums sind neben den drei oben genannten CGI Deutschland, CRN Management, Fraunhofer-Institut für angewandte Festkörperphysik IAF, Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT, Innovationsgesellschaft Technische Universität Braunschweig (iTUBS), Nanoavionics, Quantum Technology Laboratories, Space Applications Services, Swedish Space Corporation (SSC), Telefónica Germany und TTTech Computertechnik.

Dieses Projekt ist Europas technologische Unabhängigkeitserklärung.

Walter Ballheimer, CEO REFLEX Aerospace

Wie der CEO von REFLEX Aerospace, Walter Ballheimer, betonte, habe Europa alles, was es für ein unabhängiges Satellitennetzwerk brauche. Die Einzelteile müssten nur noch hoch effizient kombiniert und aktiviert werden. Für diese Aufgabe sei das Konsortium bestens vorbereitet, denn “Flexibilität, Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit bilden zusammen mit der Innovationskraft der technologischen Avantgarde des Kontinents die DNA des Raumfahrt-Mittelstandes.” (Ballheimer) Was er damit meint, erläutert er anhand dreier Beispiele. So sollen quantenkryptografische Verfahren und Laserlinks bei UN:IO sowohl Sicherheit als auch Geschwindigkeit garantieren. Zudem setze das Konsortium im Vergleich zu konventionellen Konzepten nicht auf zehntausende Satelliten, sondern auf wenige Hundert. Diese sollen in unterschiedlichen Orbits operieren und sich durch intelligente Vernetzung gleichzeitig durch bessere Leistung auszeichnen. Drittens werde man dafür sorgen, nach Ende der Betriebsdauer die Satelliten wieder zu entsorgen. Dafür soll ein Bremssegel eingesetzt werden, mit dem ausgediente Satelliten wieder in die Erdatmosphäre eintreten und letztlich verglühen.

Neben Satelliten im Orbit ist jedoch auch Infrastruktur auf der Erde notwendig, um das Netzwerk in Betrieb nehmen zu können. So braucht es unter anderem mehrere Bodenstationen und Kontrollzentren. Wie ernst es dem Konsortium mit dem Vorhaben ist zeigt sich auch daran, dass mit dessen Aufbau – ebenso wie mit der Hardwarestruktur – bereits begonnen wird. Finanziert wird dies laut Unternehmensangaben sowohl aus Eigenmitteln als auch mit Risikokapital. Welche Bedeutung dieses Vorhaben für Europa hat, fasst Bülent Altan zusammen.

Wir sind unglaublich stolz darauf, dass die Europäische Kommission unser Konsortium ausgewählt hat, um die Architektur für ein unabhängiges europäisches Satellitennetz zu entwerfen. Die Infrastruktur für die Satellitenkommunikation wird für den künftigen Handel genauso wichtig sein wie früher die physischen Brücken. Es ist gut zu sehen, dass Europa beabsichtigt, den technologischen Ehrgeiz, die industriellen Fähigkeiten und die geopolitische Souveränität anderer Nationen zu erreichen, die bereits auf dem besten Weg sind, eine Weltrauminfrastruktur aufzubauen. Wir freuen uns darauf, zu Europas eigener Lösung beizutragen und Laserkommunikationslösungen anzubieten, um den vollen Nutzen des Satellitennetzes zu entfalten.

Bülent Altan, CEO Mynaric

Nach VW auch BMW: Deutsche Autobauer signalisieren Interesse

Dass der Markt für ein solches Netzwerk besteht, lässt sich nicht bezweifeln. Bereits im März 2021 hat Volkswagen angekündigt, sein Geschäftsmodell radikal ändern zu wollen. Zukünftig wollen die Wolfsburger nicht mehr mit dem Verkauf von Autos Geld verdienen, sondern mit zugehörigen Softwareanwendungen. Ähnlich so, wie es Apple bei Smartphones bereits seit langer Zeit erfolgreich tut. Eine solche Anwendung ist zum Beispiel autonomes Fahren. Doch dafür ist eine auch außerhalb von Ballungszentren zuverlässig verfügbare und leistungsstarke Internetverbindung unverzichtbar. Erst letzte Woche berichtete die Wirtschaftswoche, dass diesbezüglich nun nach VW auch BMW mit dem Verbund von REFLEX Aerospace, Isar Aerospace und Mynaric in Kontakt getreten ist. Wie die WiWo weiter berichtet, könne sich BMW den Einsatz in seinen Fahrzeugen ab 2030 vorstellen. Inwieweit der Münchner Autobauer dieses Datum angesichts der geplanten Einsatzbereitschaft von UN:IO nun vorzieht, bleibt abzuwarten.

Ungeachtet dessen treiben die Köpfe hinter UN:IO das Projekt weiter voran. So würde eine erste Runde intensiver, nicht öffentlicher Gespräche mit Spitzenvertretern deutscher Unternehmen und Verbände zum Leistungsangebot bereits auf der World Satellite Business Week in Paris stattfinden. Weitere sollen bis zum Sommer im deutschsprachigen, skandivanischen, baltischen und Mittelmeerraum folgen. Ballheimer zeigt sich zudem davon überzeugt, auch nationale Regierungen sowie die Europäische Union selbst als Ankerkunden oder Partner gewinnen zu können: “Die Vergabe der Studie an unser Konsortium werten wir als klares Vertrauensvotum der Kommission.”


Jetzt gilt es, den Vertrauensvorschuss zu nutzen und zu liefern. Wie das unabhängige, europäische Satellitennetzwerk UN:IO im Detail aussehen soll, muss sich spätestens im Juni 2022 zeigen. Bei der derzeitigen Dynamik in der Branche kann jedoch davon ausgegangen werden, dass spätestens dann der nächste Paukenschlag folgt.


via REFLEX Aerospace, Mynaric, UN:IO

Header Bild: Mynaric
Verfasst von M. Weissflog
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