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Dcubed liefert Aktuatoren für ADEO-Bremssegel von HPS

Diese Space News wurde veröffentlicht am So, 05.02.2023 – 08:48 CET und berichtet über DCUBED

Weltraumschrott ist ein ernst zu nehmendes Problem in der Raumfahrt. Derzeit befinden sich mehr als 36.500 Objekte mit einer Größe >10 cm im Orbit, die als Schrott deklariert sind. Bei kleineren Teilen (1 mm – 1 cm) steigt die Anzahl sogar auf 130 Millionen. Damit wertvolle Orbits nicht von ausgedienten Satelliten belegt sind, werden derzeit zahlreiche Entsorgungsmöglichkeiten entwickelt. Eine davon ist das ADEO-Bremssegel von HPS.

Die ganze Geschichte

Das Standardmaß eines CubeSats beträgt gerade einmal 10 x 10 x 10 cm. In diesen als 1U bezeichneten Bauraum Technologie unterzubringen, ist eine herausfordernde Aufgabe. Dem deutschen Unternehmen High Performance Space Structure Systems GmbH (HPS) ist es gelungen, darin eine 3,6 Quadratmeter große aluminiumbeschichtete Polyamidmembran zu verstauen. Mit dem genannten “Drag Augmentation Deorbiting System Nano” (ADEO-N) sollen Satelliten schneller aus dem Orbit verschwinden. Dafür wird zum geplanten Zeitpunkt, in der Regel nach Missionsende oder bei Ausfall des Satelliten, das Bremssegel entfaltet. Die dann größere Gesamtfläche sorgt dafür, dass sich der Luftwiderstand der immer noch vorhandenen – wenn auch extrem dünnen – Atmosphäre erhöht. In der Folge wird der Satellit abgebremst und bewegt sich wieder auf die Erde zu, bis er letztlich verglüht.

Simulation der Entfaltung eines Bremssegels, wie zum Beispiel ADEO von HPS; © ESA
Simulation der Entfaltung eines Bremssegels; © ESA

Einsatzbereitschaft von jetzt auf gleich

Kritisch bei diesem Prinzip ist, dass der Auslösemechanismus für das Entfalten des Bremssegels erst zum Missionsende zum Einsatz kommt. Das heißt, dass er mehrere Monate bis Jahre in einer Art Dornröschenschlaf verbringt, während er extremen Temperaturschwankungen und Strahlung ausgesetzt ist. Dennoch muss er bei Aktivierung sofort einsatzbereit sein. Ein auf diese unwirtlichen Bedingungen und den Einsatz in Kleinstsatelliten ausgelegtes System sind die Aktuatoren von Dcubed. Wie das Startup aus dem bayrischen Germering nun bekannt gab, wird es die für das Entfalten von ADEO notwendigen Aktuatoren liefern.

ADEO-N entfaltet sich im Bruchteil einer Sekunde

Dass HPS’ Prinzip funktioniert, hat das Münchner Unternehmen bereits erfolgreich bewiesen. Schon 2018 wurde eine mit 2,5 qm kleinere Variante des Segels im Rahmen der Mission “It’s Business Time” auf der Oberstufe einer Electron-Trägerrakete von Rocket Lab angebracht. Zwischen 2019 und 2022 folgten mehrere Tests bei Parabelflügen, im Jahr 2021 startete ein ADEO-N ins All. Untergebracht war es in einem 1U-CubeSat, der Teil des vom italienischen Unternehmen D-ORBIT betriebenen Satellitenträgers ION war. Der letzte Qualifizierungstest trug den Namen “Show Me Your Wings” und sollte den letzten technologischen Nachweis des Konzeptes erbringen. Nach mehreren Monaten im All wurde das Bremssegel schließlich automatisch entfaltet. Da ION auch über eine integrierte Kamera verfügt, konnte dieser Vorgang genauestens beobachtet werden. Das Entfalten dieses Segels dauert dabei lediglich 0,8 Sekunden.

ADEO-N3 Deployment, © High Performance Space Structure Systems GmbH

Bremssegel ADEO ermöglicht vier Mal schnelleren De-Orbit von Satelliten

Bis vor wenigen Jahren überlies man ausgediente Satelliten weitestgehend sich selbst; oder besser der Erdanziehungskraft. Denn diese wirkt natürlich auch in großen Höhen – sonst hätten wir längst keinen Mond mehr. Doch sie ist so gering, dass Satelliten aus einer Höhe von 1.200 km rund 2.000 Jahre bräuchten, bis sie wieder auf unserem Heimatplaneten wären. Hätte man also bereits zu Jesus’ Geburt einen Satelliten ins All gebracht, würde er jetzt wiederkommen. Aus 800 km Höhe dauert dieser Vorgang immer noch etwa 150 bis 200 Jahre, aus 500 km immerhin noch rund 25 Jahre.

Wir wollen eine Null-Schrott-Politik einführen: Wenn man ein Raumfahrzeug in die Umlaufbahn bringt, muss man es auch wieder entfernen.

Josef Aschbacher, ESA Director General

Als Industriestandard gilt seit einiger Zeit eine De-Orbiting-Zeit von etwa fünf Jahren. Dafür werden Satelliten gezielt abgebremst, etwa indem ihre Solarpanels in Richtung Erde geneigt werden; sie stehen damit quasi “gegen den Fahrtwind”. Auch das gezielte Zünden der Triebwerke ist eine Möglichkeit, einen schnelleren Wiedereintritt zu bewirken. Mit ADEO soll dieser Prozess noch schneller gehen, wie die am Projekt beteiligte ESA-Strukturingenieurin Tiziana Cardone betont: “Das ADEO-N-Segel stellt sicher, dass der Satellit in etwa einem Jahr und drei Monaten wieder eintritt, während er sonst vier bis fünf Jahre gebraucht hätte.”

ESA will ab 2030 Entstehung von neuem Weltraumschrott komplett vermeiden

Das von HPS entwickelte System ist dabei nicht nur für Cubesats geeignet, sondern kann auch skaliert werden. So können mehrere Bremssegel kombiniert und auf mittleren und großen Satelliten, aber auch auf Oberstufen von Raketen angebracht werden. In seiner größten Variante kommt ADEO auf eine Fläche von 100 Quadratmetern, wobei das Entfalten dann rund 45 Minuten dauert.

Mit dieser Technologie leisten HPS und Dcubed einen entscheidenden Beitrag zur Zero Debris Initiative der ESA. Diese sieht vor, bis 2030 keinen neuen Weltraumschrott mehr zu erzeugen. Insofern ist die zuverlässige Entfernung von nicht mehr benötigten Satelliten ein wichtiger Aspekt. Zum einen, weil dadurch wertvolle Umlaufbahnen frei werden. Zum anderen, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen sinkt. Mehr als 100 Millionen Trümmerteile im Orbit zeigen, dass dieser Schritt keine Minute zu früh kommt.

Header Bild: ESA
Verfasst von M. Weissflog
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Christian Kruppa
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