Universität der Bundeswehr München

GOSATCOM 2023 – “Neue Lage, neue Wege”

Diese Space News wurde veröffentlicht am Do, 30.03.2023 – 13:47 CEST und berichtet über Verwaltung

Im Turnus von zwei Jahren findet die nationale Konferenz für behördliche Satellitenkommunikation an der Bundeswehruniversität München statt. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto “Multi-Orbit SATCOM: Neue Lage, neue Wege”. An insgesamt drei Veranstaltungstagen tauschten sich Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Behörden und der Bundeswehr über die aktuellen Entwicklungen aus.

Die ganze Geschichte

Schon der Blick ins Programm der GOSATCOM 2023 macht deutlich, wie viel Expertise an der Universität der Bundeswehr in München für drei Tage zusammentraf. Auch die einzelnen Programmpunkte zeigen, welch hohen Stellenwert Satellitentechnologie und -anwendungen mittlerweile haben. Deren gesellschaftliche Relevanz ist dabei durch Navigationssysteme, Satelliten-TV und Wetterberichte noch recht einfach greifbar. Komplexer gestaltet es sich hingegen bei behördlichen Anwendungen. Diese verteidigungspolitische Seite wurde jedoch spätestens mit dem ungerechtfertigten Angriffskrieg auf die Ukraine durch Wladimir Putin sichtbar.

“Nicht NewSpace muss sich anpassen, sondern der Beschaffungs-Apparat”

Dass diesem Themenfeld mehr oder minder ein ganzer Veranstaltung gewidmet war, verwundert daher nicht. Nach der Eröffnung und Begrüßung durch den Gastgeber, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas Knopp, einem Grußwort der Ministerin für Digitales im Freistaat Bayern Judith Gerlach sowie der Präsidentin der Universität der Bundeswehr München, Univ.-Prof.’in Dr.-Ing. habil. Dr. mont. Eva-Maria Kern, gab es die ersten Vorträge. Brigadegeneral Armin Fleischmann widmete sich dem zukünftigen Bedarf an SATCOM-Fähigkeiten aus Sicht des Bundesministeriums für Verteidigung. Oberst i.G. Michael Volkmer erläuterte die militärischen Anforderungen an die Satellitenkommunikation. Nach einer kurzen Pause, die zum Netzwerken genutzt werden konnte, folgte eine Podiumsdiskussion über die mit dem Sondervermögen Bundeswehr verbundenen Herausforderung für Streitkräfte und Industrie. Neben Brigadegeneral Fleischmann und Oberst i.G. Volkmer waren an der Diskussion auch der Programmleiter SATCOMBw Stufe 3, LRDir Marc Alt, Eva-Maria Aicher (Vorsitzende BDLI – Fachausschuss Raumfahrtstrategie und stellv. Senatsvorsitzende des DLR) sowie Matthias Wachter (Geschäftsführer NewSpace Initiative) beteiligt.

Matthias Wachter (Geschäftsführer NewSpace Initiative) auf der GOSATCOM;
© Matthias Wachter

Für zivile Zwecke entwickelte Systeme können ein militärischer Game Changer sein. Die Nutzung von Starlink durch die ukrainischen Streitkräfte ist das prominenteste Beispiel hierfür. Die vielen Start-ups fallen in der Regel durch das Raster der bürokratischen Beschaffungsprozesse. Die Truppe profitiert deshalb bisher so gut wie überhaupt nicht von der NewSpace-Dynamik. Nicht NewSpace muss sich anpassen, sondern der Beschaffungs-Apparat.

Matthias Wachter, Geschäftsführer NewSpace Initiative

Sondervermögen Bundeswehr bisher kaum genutzt

Wie Wachter betont, sei daher die Gründung einer “Space Innovation Unit” notwendig. Diese solle als eigenständige Einheit außerhalb der bestehenden Bundeswehr-Strukturen entstehen und unbürokratische Partnerschaften zwischen militärischen Bedarfsträgern sowie Industrie und Forschung aufbauen. Zudem schlägt der Geschäftsführer der NewSpace Initiative vor, als Budget für diese Einheit ein Prozent des Sondervermögens Bundeswehr zu Verfügung zu stellen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 27. Februar 2022 in seiner “Zeitenwende-Rede” ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro angekündigt. Zum Jahrestag am 27. Februar 2023 äußerte sich der Bundeswehrverband zur Umsetzung. Verbandschef André Wüstner kritisierte bei ZDFheute, dass die Bundesregierung zu langsam agiere. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn warf Scholz gar vor, Zusagen zur Modernisierung der Bundeswehr nicht einzuhalten. So sei bislang fast nichts vom angekündigten Sondervermögen verplant.

“Viele Konzepte müssen neu justiert und bewertet werden”

Anschließend standen Vorträge zu Weltraumaktivitäten auf EU-Ebene sowie die nahtlose Integration der MEO-Konstellation von SES in eine Multi-Orbit-Strategie auf dem Programm. Dr. Björn Gütlich, Abteilungsleiter Satellitenkommunikation der Deutschen Raumfahrtagentur beim DLR, referierte auf der GOSATCOM über die Chancen für Deutschland im Zusammenhang mit der geplanten europäischen Satellitenkonstellation IRIS2. Sabine von der Recke (Vorstandsmitglied OHB) sprach über das “Potenzial von sicheren multiorbitalen Satcom-Konstellationen.” Unstrittig ist ihrer Meinung nach, dass sich “die Zukunft der resilienten Kommunikationsinfrastruktur für militärische, behördliche, private Nutzer nicht auf eine terrestrische Lösung abstützen kann.” Nur eine multifunktionale Satelliten-Infrastruktur auf verschiedenen Orbits (multi-orbital) wird einen Nutzen bringen, sagt von der Recke. Und das auch nur, sofern diese schnell und barrierefrei verfügbar ist und neben klassischer Satcom (Satelliten-Kommunikation) auch Erdbeobachtungs- sowie Positions-, Navigations- und Timing-Funktionalitäten (PNT) bietet. Auch sie spricht sich dafür aus, dass das Beschaffungsmanagement der Bundeswehr an die aktuelle Situation angepasst wird.

Sabine von der Recke (Vorstandsmitglied OHB) auf der GOSATCOM;
© Sabine von der Recke

Die Bundeswehr hat erkannt, dass der Weltraum eine wichtige und kritische Dimension ist, die für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte und für die Landesverteidigung/Bündnisverteidigung immens an Bedeutung gewonnen hat. Dazu müssen verschiedene strategische Betrachtungen genauso überprüft werden, wie die Beschaffungsprozesse und der Ansatz des Lückenschließens – es muss gesamtheitlich betrachtet werden und dabei müssen viele Konzepte neu justiert und bewertet werden.

Sabine von der Recke, Vorstandsmitglied OHB

Die Session wurde von Dr. Clemens Kaiser, Chief Program Officer bei Rivada Space Networks, geschlossen. In seinem Vortrag erklärte er, “Wie aus Konstellationen Netzwerke werden”. Es folgte eine Kaffeepause und anschließend die Verleihung des TESSA – Tesat-Spacecom Science Award, der in diesem Jahr an Dr.-Ing. Maximilian Stark ging. Gewürdigt wurde er für seine im September 2021 veröffentlichte Dissertation “Machine Learning for Reliable Communication Under Coarse Quantization“. Darin befasst er sich mit dem “Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens zur zuverlässigen Nachrichtenübertragung trotz grob quantisierter Information am Empfänger.” Damit war der Übergang zum vorletzten offiziellen Programmpunkt des Tages nahezu perfekt. Denn Dr. Clemens Kaiser (Rivada Space Networks), Fregattenkapitän Dr. Martin Hellmann (KdoCIR), Prof. Andreas Knopp (UniBw M) und Philippe Glaesener (SES) tauschten in der Podiumsdiskussion “Multi-Orbit SATCOM: Neue Lage – Neue Wege” ihre Standpunkte aus.


Tech Deep Dives und Startup-Session des BDI

Während es am ersten Veranstaltungstag noch vornehmlich um die (verteidigungs-)politischen Rahmenbedingungen ging, stand der zweite ganz im Fokus der Technologie. Den Auftakt machten technische Kurzvorträge, so genannte Tech Deep Dives. Für seine Session hatte sich Dr. Ernst K. Pfeiffer nach eigenen Aussagen vorgenommen, Awareness (Bewusstsein, Erkenntnis, Aufmerksamkeit) zu schaffen. Dafür, dass von deutschen KMU aus Steuergeldern finanzierte Zulieferkomponenten für nationale, behördliche Missionen verfügbar sind. Dementsprechend platzierte er in seinem Vortrag die Botschaft, dass deutsche Unternehmen durchaus das notwendige Equipment für behördliche Satelliten-Kommunikation liefern können. Im Falle von HPS zum Beispiel leistungsstarke Antennen oder die Deorbit-Segel aus der ADEO-Produktfamilie. Er appellierte daran, ihnen auch den notwendigen Platz in nationalen und europäischen Missionen wie IRIS2 einzuräumen.

ThemaReferent
Optische Kommunikation „Direct-to-Earth“ – Ansätze zur Erhöhung der VerfügbarkeitGregor Schäfer
Business Development Manager;
WORK Microwave GmbH
Antennen in „Dual Use“ – Hochtechnologie aus deutscher HandDr. Ernst K. Pfeiffer
CEO;
HPS GmbH
Laserkommunikation im All – ein Erfahrungsbericht der Industrie: Status, Programme, zukünftige AnwendungenMatthias Motzigemba
Vertriebsleiter Laserkommunikation;
TESAT Spacecom
Distributed Signal Processing for Satellite Communications: An Overview of Research Activities at UnibwDr. Thomas Delamotte
Universität der Bundeswehr München
Eine Blueforcetracking Lösung in deutscher HandKai-Uwe Storek
Managing Director
NEOSAT GmbH
Aktueller Stand der Satellitenintegration in den 5G Mobilfunk StandardFlorian Völk
Universität der Bundeswehr München
Auszug aus dem Programmplan der GOSATCOM

Den Deep Dives folgten weitere, auf technische Themen fokussierte Beiträge. Darin ging es unter anderem um Satellitenkommunikation für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), sowie den aktuellen Stand Stand der Satellitentechnologie im BOS TETRA-Netz. Dabei handelt es sich um ein digitales Funknetz für Polizeien, Feuerwehren, Rettungsdienste sowie weitere Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen.

Zum Abschluss der GOSATCOM 2023 hatten gleich sechs NewSpace-Startups die Möglichkeit, sich und ihre Ideen bzw. Produkte zu präsentieren. Unter der Federführung der NewSpace-Initiative des BDI gab es so Einblicke in den Status Quo von TALOS, Smart Mobile Labs, Vyoma, POLARIS Raumflugzeuge, Berlin Space Technologies und Morpheus Space. Die nächste GOSATCOM wird entsprechend des zweijährigen Turnus’ 2025 stattfinden.

Header Bild: Universität der Bundeswehr München
Verfasst von M. Weissflog