Factory Reloaded – Morpheus Space eröffnet neue Produktionsstätte
Published on Mi, 24.07.2024 – 17:45 CEST in Internals, covering Morpheus SpaceDas Dresdner NewSpace-Unternehmen Morpheus Space ist weiterhin auf Erfolgskurs und plant mittelfristig die Steigerung der Produktion. Die Ionenstrahl-Triebwerke werden künftig an einem neuen Standort gefertigt, der dafür ausreichend Kapazitäten bietet. Die Eröffnung der neuen Produktionsstätte wurde mit einem eindrucksvollen Event gefeiert, bei dem unter anderem auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer anwesend war.
(Dresden) – In einem Gespräch mit Astrodrom hat CEO Daniel Bock bereits 2022 angedeutet, dass Morpheus Space perspektivisch einen weiteren Standort benötigen wird. Gefunden hat ihn das Unternehmen letztlich am westlichen Stadtrand Dresdens. Doch das war kein Selbstläufer, wie die beiden Co-Founder Christian Schunk und Philipp Laufer Astrodrom verrieten. Mehr als ein Dutzend Objekte standen anfangs zur Auswahl, doch nur die wenigsten genügten den Anforderungen an die Produktion von Raumfahrtkomponenten. Entscheidend war neben der Größe auch die Möglichkeit, sowohl die Fertigungsstrecke als auch Büroräume realisieren zu können. Insgesamt 1.300 m2 belegt Morpheus Space nun in einem Gebäude, das sich auf dem Gelände eines ehemaligen Luftschiffhafens und Flugplatzes befindet.
Großes Investment für skalierbare Produktion
In erforderliche Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen wurden Unternehmensangaben zufolge rund 1,5 Millionen Euro investiert. Die Produktion ist vorerst im Ein-Schicht-Betrieb geplant, kann bei Bedarf aber weiter gesteigert werden. Zunächst sollen pro Jahr 100 Antriebseinheiten vom Typ GO-2 gefertigt werden, aber auch hier gibt es ausreichend Spielraum nach oben. Seinen bisherigen Standort gibt Morpheus Space trotz neuer Factory übrigens nicht auf. Forschung und Entwicklung sowie Software-Development erfolgen weiterhin rund drei Kilometer östlich in Dresden-Pieschen. So erklärt sich auch, warum lediglich ein gutes Dutzend Mitarbeitende die neuen Räumlichkeiten beziehen werden. Wie COO Martin Kelterer betonte, ist alles auf die drei Erfolgskriterien von Morpheus Space ausgelegt: Qualität, Qualität, Qualität.
Diese hob auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hervor, der zur Eröffnung anreiste. In einem kurzen Vortrag betonte er die Notwendigkeit von Hochtechnologie für den Freistaat.
Für uns in Sachsen ist Raumfahrt aus Dresden ein Riesenglück. Es ist wohltuend zu erleben, dass die Technologie von uns kommt, entstanden in unserer Exzellenzuniversität Dresden.
Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
Zudem habe er verstanden, dass staatliche und politische Rückendeckung nicht nur der sächsischen Raumfahrtindustrie helfen. Inwieweit seine Bekundungen zur Unterstützung jedoch Bestand haben, wird sich wohl erst nach der anstehenden Landtagswahl im September 2024 zeigen. Zunächst aber galt es, gemeinsam mit Daniel Bock, Martin Kelterer und Kevin Lausten (President Morpheus Space) den Startschuss für die “Reloaded Factory” zu geben. Dafür genügte ein gemeinschaftlicher Druck auf einen Buzzer, wodurch die bis dahin verhüllte Produktionsstrecke sichtbar wurde.
Morpheus Space holt in Panels Who’s who des NewSpace auf die Bühne
Zu einem echten Happening wurde die Eröffnungsfeier spätestens mit den folgenden Panels. Die erste von insgesamt drei Diskussionsrunden fand unter dem Titel “Die Bedeutung der Raumfahrt in unserem Alltag” statt. Neben Daniel Bock nahmen dafür Walter Ballheimer (Reflex Aerospace), Gregor Langer (TALOS), Tom Segert (Berlin Space Technologies) und Matthias Wachter (BDI) auf der Bühne Platz. In einem kurzweiligen Talk lieferten sie selbst eingefleischten Raumfahrt-Enthusiast:innen spannende Einblicke in die NewSpace-Branche und ihre Gedanken.
So prognostizierte Walter Ballheimer, dass sich die Ära der Cubesats bereits ihrem Ende neigt. Dies begründete er mit der steigenden Verfügbarkeit an Startkapazitäten, die zeitnah nicht mehr nur SpaceX zur Verfügung stellen wird. In die selbe Kerbe schlägt Tom Segert, dessen Unternehmen bereits seit Langem Satelliten fertigt, die “nicht zu klein und nicht zu groß” sind. Damit meinte er Satelliten mit einer Masse zwischen 50 und 500 kg, die als sogenannte Smallsats bezeichnet werden.
Neue Herausforderungen für den NewSpace
Auf die Herausforderungen der deutschen NewSpace-Industrie angesprochen, betonte Matthias Wachter die nicht ausreichende Kommunikation ihrer Wirtschaftsleistung und Innovationskraft. So fällt es schwer, die breite Öffentlichkeit angemessen für die Relevanz der Raumfahrt zu sensibilisieren. In der Folge gibt es nicht genügend gesellschaftlichen Druck in Richtung Politik, die sich dem Thema daher auch nur punktuell widmet. Das zeigt sich besonders deutlich an wiederholten Kürzungen des ohnehin schon geringen Raumfahrtbudgets, was in der Branche regelmäßig für Verdruss sorgt. Um unser aller Wohlstand zu halten, müssten aber auch Raumfahrtanwendungen verteidigt werden, meint Walter Ballheimer. “Dafür brauchen wir keine konventionellen Waffen, sondern Rückhalt in der Bevölkerung,” so der CEO von Reflex Aerospace.
Weltraumschrott weiterhin Thema
Bereits einleitend verwies Daniel Bock auf die zahlreichen Raumfahrtanwendungen in unserem Alltag. In den drei großen Einsatzbereichen Kommunikation, Navigation und Observation spiegeln sich diese unter anderem in der Landwirtschaft, beim Banking, der Wetter- und Klimaüberwachung, beim Militär oder im Katastrophenfall wieder. All das erfordert jedoch Satelliten, die im Orbit zuverlässig arbeiten. Nach Ende ihrer Betriebszeit oder bei einem vorzeitigen Ausfall müssen diese jedoch wieder aus der Umlaufbahn entfernt werden. Lange Zeit hatte dies keine Priorität, weshalb Stand Juni 2024 rund 2.500 funktionsuntüchtige Satelliten um die Erde kreisen. Dieser Weltraumschrott (Space Debris) – zu dem auch Trümmerteile von Kollisionen sowie Teile von Raketen zählen – wird für die moderne Raumfahrt zunehmend zum Problem.
Um Space Debris zu vermeiden, müssen laut einer Vorgabe der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ab 2030 alle ins All gebrachten Produkte nach ihrer Lebenszeit wieder “entsorgt” werden. Entsprechende Technologien werden derzeit unter Hochdruck entwickelt, der großflächige Einsatz lässt aber noch auf sich warten. Derzeit müssen Satellitenbetreiber schon während der Betriebszeit den Wiedereintritt in die Atmosphäre einleiten, um Weltraumschrott zu vermeiden. Ein Paradoxon, wie Ballheimer erklärt, denn eigentlich lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch Geld verdienen. Abhilfe könnten seiner Meinung nach niedrigere Orbits schaffen, in denen die Restatmosphäre zum schnelleren Deorbit genutzt werden kann.
Morpheus Space setzt Maßstäbe – im Orbit und in Dresden
Mit den Ionenstrahl-Triebwerken von Morpheus Space lassen sich bereits heute Orbits gezielt verändern. Möglich macht das GO-2, ein modulares Antriebssystem auf Basis der Field Emission Electric Propulsion (FEEP). Mit Journey liefern die Dresdner darüber hinaus auch die entsprechende Software, um die Mobilität im All während der gesamten Missionsdauer sicherstellen zu können.
Ebenso eindrucksvoll wie diese Technologie war auch die Eröffnung der neuen Produktionsstätte. Dazu trug neben der beeindruckenden Inszenierung der Produkte auch das Rahmenprogramm bei, das in dieser Form seinesgleichen sucht. Dass das größte sächsische Raumfahrtunternehmen diesen Meilenstein gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, vor allem aber mit der Belegschaft feiert, zeigt vor allem eines: Auch von Dresden aus kann man den Weltraum erobern. Eine Botschaft, die in diesen Tagen mehr wert ist denn je.