POLARIS Raumflugzeuge mit Studie zu Linear Aerospike-Triebwerken beauftragt
Published on Do, 27.04.2023 – 16:46 CEST in R&D, covering POLARIS RaumflugzeugeAerospike-Triebwerke gelten in der Raumfahrt als eine Art heiliger Gral. Schon seit den 1950er Jahren beschäftigt sich die Forschung mit der Umsetzung dieses vielversprechenden Antriebsprinzips. Obwohl bislang nur Prototypen existieren, könnten neue Materialien und die Möglichkeiten der additiven Fertigung die entscheidenden Gamechanger sein. Das Bremer Startup POLARIS Raumflugzeuge wurde nun damit beauftragt, eine Studie zur Entwicklung und Flugerprobung eines Linear Aerospike Raketentriebwerks durchzuführen.
Leichter, kleiner, sparsamer – in der Theorie laufen Aerospike-Triebwerke konventionellen Raketentriebwerken den Rang ab. In der Praxis gibt es jedoch etliche Hürden für einen Einsatz zu überwinden. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Raketenmotoren hat ein Aerospike-Triebwerk keine konventionelle Düse (Nozzle) am hinteren Ende des Motors. Stattdessen verfügt es über eine Düsenstruktur, die sich um den Umfang des Motors erstreckt und an der Basis des Motors beginnt. Dadurch ist es möglich, sowohl den Schub als auch die Effizienz über einen breiten Bereich von Geschwindigkeiten und Höhen kontinuierlich anzupassen. Ein großer Nachteil sind jedoch die dabei entstehenden Temperaturen, die die verwendeten Materialien extrem beanspruchen. Abhilfe kann eine Vielzahl von Kühlkanälen schaffen, wodurch die Komplexität dieser Art Triebwerke jedoch weiter steigt.
Additive Fertigung und Künstliche Intelligenz machen Aerospike-Triebwerke greifbar
Hier setzten das Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS und das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik (ILR) der TU Dresden an. Im Jahr 2019 konnte ein Aerospike-Triebwerk mit 500 Newton Schub vorgestellt werden, das additiv gefertigt wurde. Umgangssprachlich als 3D-Druck bezeichnet, schmilzt ein Laser dabei eine Nickelbasis-Superlegierung im Metallpulverbett auf und erzeugt so Schicht für Schicht die Bauteile. Auf dem Teststand zeigten sich beim Prototypen von Fraunhofer IWS und ILR jedoch noch Probleme beim Kühlsystem und in der Treibstoff-Einspritzung. Ein verbesserter Nachfolger sollte dann bereits über einen Schub von 6.000 N verfügen. Gefördert wird das Projekt AeroSPIke Rocket Engine Realisation (ASPIRER) seit 2020 auch von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Im August 2022 gab Hyperganic bekannt, das weltweit größte 3D-gedruckte Aerospike-Triebwerk gefertigt zu haben. Doch statt auf ein spezifisches Design zu setzen, entwickelte das Münchner Unternehmen eine Reihe von Algorithmen, mit denen die Konstruktion eines solchen Triebwerks beschrieben wurde. In der Folge wurden Hunderte von realisierbaren Varianten entwickelt, von denen einige für den Druck ausgewählt wurden. Eines ist nach Angaben des Unternehmens das bisher komplexeste 3D-gedruckte Objekt und das erste algorithmisch konstruierte Raketentriebwerk, das es gibt.
POLARIS Raumflugzeuge setzt auf Linear Aerospike (LAS) Raketentriebwerke
Während sich die Forschung derzeit auf die Realisierung eines zylindrischen Triebwerks konzentriert, setzt POLARIS Raumflugzeuge auf Linear Aerospike (LAS). Diese sollten bereits als Hauptantrieb beim geplanten Space Shuttle-Nachfolger X-33/VentureStar zum Einsatz kommen. In den 1990er Jahren fanden bereits Tests am Boden statt. Ein LAS-Kaltstrom-Demonstrator wurde auch auf dem Rücken einer SR-71 Blackbird installiert und geflogen. Im regulären Flugbetrieb eingesetzt wurden sie bisher allerdings noch nie. Das könnte sich nun jedoch ändern.
Denn aufgrund ihrer Geometrie sind LAS für das vom Bremer Startup POLARIS geplante, besonders flache Raumflugzeug besonders interessant. Wie das Unternehmen um Alexander Kopp mitteilt, seien LAS einfacher zu integrieren und hätten einen geringeren Luftwiderstand während des turbinengetriebenen Reisefluges oder des Gleitfluges beim Wiedereintritt. Zudem könne damit das Problem möglicher Tail-Strikes – das ungewünschte Berühren der Startbahn durch das Flugzeugheck – bei Start und Landung gelöst werden. Insofern ist es nur konsequent, dass POLARIS LAS-Raketenantriebe als Basisantriebssystem ausgewählt hat.
Bundeswehr beauftragt POLARIS Raumflugzeuge mit Studie
Zunächst gilt es jedoch, diese Triebwerksform zu qualifizieren. Dafür hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) POLARIS den Auftrag erteilt, das Potenzial eines LAS als Antriebselement in einem Raumfahrtdemonstrator zu untersuchen. Mit dem neuen Auftrag erhält POLARIS bereits den dritten Studienauftrag der Bundeswehr im Bereich Raumflugzeuge mit steigender Komplexität in Folge. Für die Aerospike-Flugvalidierung wird POLARIS einen weiteren maßstabsgetreuen Raumflugzeug-Demonstrator bauen. Im Vergleich zu seinen drei bereits gebauten und geflogenen Vorgängern soll dieser allerdings noch größer und schwerer werden. Im Rahmen der Studie wird dann auch erstmals ein LAS-Raketentriebwerk gezündet und im Flug getestet.
© POLARIS Raumflugzeuge
© POLARIS Raumflugzeuge
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Ob sich die Hoffnungen und Erwartungen erfüllen, wird sich noch zeigen müssen. Doch bereits jetzt ist klar, dass die Flugvalidierung einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einem einsatzfähigen Raumflugzeug darstellt. Denn aufgrund der fehlenden Möglichkeit, konventionelle Raketen von Deutschland aus zu starten, hat ein auf Raumflugzeug enormes Potenzial, einen entscheidenen Beitrag zu einem souveränen Zugang zum All zu sichern.