EU beschließt Aufbau von Satellitenkonstellation IRIS²
Published on Di, 14.02.2023 – 19:28 CET in Politics, covering EuropaEs galt bereits im November 2022 als reine Formsache, nun stimmte die Europäische Kommission in Straßburg ab. Punkt 4 der Plenartagung am Dienstag, den 14. Februar 2023 trug den Titel “Programm der Union für sichere Konnektivität 2023-2027”. Konkret ging es um den Aufbau der europäischen Satellitenkonstellation IRIS2. Das Ergebnis ist mehr als eindeutig.
In einer namentlichen Abstimmung wurden die Abgeordneten aufgefordert, ihr Votum für das Vorhaben abzugeben. Eine Entscheidung, mit der erhebliche finanzielle Ressourcen verbunden sind. Immerhin sollen seitens der EU 2,4 Milliarden Euro investiert werden, um eine eigenständige Satellitenkonstellation aufzubauen. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA und private Unternehmen steuern nochmal 3,6 Milliarden bei. Doch was nach einem zähen Prozess, langen Debatten und einer knappen Entscheidung klingt, war im Ergebnis mehr als eindeutig. Von den 648 abgegebenen Stimmen entfielen 603 auf “Ja” und nur 6 auf “Nein”, 39 Abgeordnete enthielten sich.
IRIS2 ist “nicht weniger als eine Revolution der europäischen Raumfahrt”
Niklas Nienaß, Mitglied der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, setzt sich seit Jahren für den Aufbau einer europäischen Satellitenkonstellation ein. „Mit IRIS2 macht Europa einen großen Schritt in das neue Weltraum-Zeitalter“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete. „Was daraus folgen soll, ist nicht weniger als eine Revolution der europäischen Raumfahrt.”
Bereits im November 2022 hatte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton mit den Worten “This is historic” die Entscheidung der Europäischen Kommission zum Aufbau von IRIS2 angekündigt. In der Raumfahrtindustrie stieß dies jedoch nicht nur auf Begeisterung, sondern auch auf Kritik. Denn von den 3,6 Milliarden Euro, die die ESA und Privatwirtschaft aufbringen sollen, sind lediglich 30 Prozent für junge Unternehmen vorgesehen. Den insgesamt 1,08 Milliarden Euro stehen demnach 2,52 Milliarden Euro für etablierte Player gegenüber. Daran hatte unter anderem auch die Bundesregierung Kritik geübt, die auf die Stärkung des Wettbewerbs unter Einbeziehung von NewSpace-Startups setzt.
Kritische Infrastruktur im All – Satelliten sind für Souveränität unverzichtbar
IRIS2 – die Abkürzung für “Infrastructure for Resilience, Interconnection & Security by Satellites” – wird in zahlreichen Medien als “Konkurrenzprodukt zu Elon Musk’s Starlink” dargestellt. Mit diesen reißerischen Headlines geht man jedoch am Thema vorbei und vernachlässigt einen wesentlichen Punkt. Denn zwar gibt es mit Starlink in der Tat ein funktionales und einsatzbereites Satellitennetzwerk, doch es kann keineswegs uneingeschränkt genutzt werden. „Wie wichtig diese Unabhängigkeit ist, sehen wir gerade leider jeden Tag in der Ukraine“, sagt Nienaß. Ein Vorfall aus dem Jahr 2022 zeigt deutlich, was er damit meint. Damals schaltete SpaceX aufgrund nicht gezahlter Rechnungen Starlink-Terminals in der Ukraine ab. Sie wurden vom Militär genutzt, um trotz großflächig zerstörter Infrastruktur kommunizieren zu können.
Die für IRIS2 verwendeten Satelliten sollen nicht nur eine souveräne Lösung bereitstellen, sondern auch abhörsichere und stabile Kommunikation ermöglichen. Dafür sollen die Daten quantenverschlüsselt übertragen werden. In den operativen Betrieb soll IRIS² bereits 2027 gehen. Wichtig ist aus Sicht von Nienaß nun aber auch eine attraktive Ausschreibung der Kommission, sodass sich die Unternehmen stark einbringen und zusätzliche Dienste für die Bürger:innen anbieten.
Lob und Kritik für Europäische Kommission
Keine Begrenzung der Anschlusskosten
In der Debatte um den Aufbau der Satellitenkonstellation fand Nienaß sowohl lobende als auch kritisierende Worte für seine Kolleg:innen in der Kommission. Er betonte, dass der Wettbewerb zwischen den kreativsten Köpfen dazu führte, raumfahrtbasierte Dienste, Satelliten und Raketen auf höchstem Niveau zu entwickeln. Und genau das wolle man. IRIS2 würde zudem auch in entlegenen und ländlichen Regionen Internet verfügbar machen und Versorgungslücken schließen. Kritik äußerte er daran, dass der Änderungsantrag der Grünen nicht unterstützt wurde, mit dem die Kosten eines Internetanschlusses über IRIS2 auf 10 Euro pro Monat begrenzt werden sollten.
Nachhaltigkeit wird auch im Weltraum umgesetzt
Ein großes Lob fand der 30-Jährige hingegen dafür, dass die von ihm vorgeschlagenen Kriterien zur Nachhaltigkeit Gehör fanden. “Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Sie auch sehr loben, weil Sie meine Vorschläge für Nachhaltigkeitskriterien nicht nur angenommen, sondern sogar übernommen haben, was zeigt, dass Sie wirklich eine Revolution im Weltraum im Sinn haben,” so Nienaß. Für ihn sei dies auch ein erster Schritt hin zu einem internationalen und europäischen Weltraumrecht. Letztlich würden sie auch zu einer Überarbeitung der internationalen Weltraumgesetzgebung als Ganzes führen. Ein Punkt, der dem Grünen-Politiker besonders wichtig ist. Denn er lehnt nicht nur die von den USA initiierten Artemis Accords ab, sondern setzt sich für die Wiederbelebung des Mondvertrages ein. Dies wäre dann wohl “die Revolution der internationalen Raumfahrt.”