Airbus Defence & Space

Airbus LOOP – Mehrzweck-Orbitalmodul vorgestellt

Published on Mi, 19.04.2023 – 08:50 CEST in , covering Airbus Defence & Space

Vom 17. bis 20. April 2023 fand in Colorado Springs (USA) das Space Symposium statt. Während der “Pflichtveranstaltung” der internationalen Raumfahrtindustrie präsentierte Airbus Defence & Space mit LOOP seinen Entwurf für ein neues Orbitalmodul, aus dem sich auch eine eigene Raumstation bilden lässt. Wie die Designs zeigen, könnten die nächsten Generationen menschlicher Außenposten im All durchaus komfortabel werden.

Die ganze Geschichte

Das Zeitalter der Raumstationen begann bereits 1971. Bis heute wurden 14 Raumstationen ins All gebracht, aktuell befinden sich mit der Internationalen Raumstation ISS und der Chinesischen Raumstation noch zwei Außenposten im erdnahen Orbit. Doch vor allem die ISS ist mittlerweile in die Jahre gekommen und hat ihre ursprünglich geplante Betriebsdauer (bis 2020) bereits überschritten. Dennoch einigten sich die am Betrieb beteiligten Staaten auf einen Weiterbetrieb bis 2030. Danach soll jedoch endgültig Schluss sein und der 440 Tonnen-Kollos gezielt zum Absturz gebracht werden. Mit Starlab (u.a. Airbus, Nanoracks, Voyager Space, Lockheed Martin), Orbital Reef (Blue Origin, Sierra Space, Boeing, Redwire Space, Genesis Engineering Solutions, Arizona State University) und der Axiom Station (Axiom Space) gibt es bereits Ideen für Nachfolger. Nun legte auch Airbus Defence & Space mit LOOP einen eigenen Entwurf für ein Orbital-Modul vor, dass auf Langzeitmissionen ausgelegt ist.

Modularer Aufbau als Grundlage größerer Raumstationen

Laut Unternehmensangaben ist LOOP modular aufgebaut und ermöglicht so die Anpassung an individuelle Kundenanforderungen. Mit einem Durchmesser von 8 Metern (ISS ca. 4,5 m) und einer ähnlichen Länge soll LOOP den Aufenthalt im All deutlich komfortabler machen als bisher. Die äußere Hülle ist dabei mit 20 Zentimetern veranschlagt, um ausreichend Sicherheit gegen Mikrometeoriten und Weltraumschrott zu bieten. Dem folgen zwei je ein Meter messende Ringe für Equipment (Outer Ring und Inner Ring) sowie ein Tunnel mit einem Durchmesser von 1,8 Metern. Durch diesen können sich die Astronaut:innen zwischen den insgesamt drei Decks bewegen. Trotz seiner immensen Abmaße soll LOOP in einem Stück in den Orbit gebracht werden können und dort angekommen sofort einsatzbereit sein.

Schematische Darstellung Airbus LOOP;
© Airbus Defence & Space
Schematische Darstellung Airbus LOOP;
© Airbus Defence & Space

Ausgelegt für Schwerlastraketen einer neuen Generation

Bis es tatsächlich soweit ist, dürfte es aber noch einige Zeit dauern. Denn bisher fehlen die erforderlichen Schwerlastraketen, die für den Transport solch großer Nutzlasten notwendig sind. Die immer noch in der Entwicklung befindliche Ariane 6 der ESA wird wohl nicht genutzt werden können. Schließlich hat sie nur einen Durchmesser von 5,4 m, der selbst mit einer vergrößerten Nutzlastverkleidung (Fairing) kaum auf 8 Meter gebracht werden können wird. Mit 9 Metern Durchmesser wäre das Starship von SpaceX ein Kandidat für den Launch, doch auch dieser Träger befindet sich noch in der Entwicklung. Darüber, dass für LOOP andere Startkapazitäten als bisher verfügbar erforderlich sind, ist man sich auch bei Airbus Defence & Space im Klaren. So verweist das Unternehmen auch darauf, dass das Orbital-Modul erst für die kommende Generation von superschweren Trägerraketen ausgelegt ist.

Kompatibilität integriert

Laut derzeitigem Konzeptstand ist LOOP für eine Besatzung von 4 Astronaut:innen ausgelegt. Vorübergehend, zum Beispiel beim Wechsel der Crew, sollen aber bis zu acht Personen Platz finden. Wie die Renderings zeigen, stehen gleich drei unterschiedliche Decks zur Verfügung. In der Standard-Konfiguration ist das oberste als Wohneinheit gedacht, auf Ebene 2 befindet sich der Forschungsbereich. Deck 3 hingegen ist eine große Zentrifuge, mit der künstliche Schwerkraft erzeugt werden kann. Damit soll die Belastung der Schwerelosigkeit für den menschlichen Körper verringert werden. Rund um den Verbindungstunnel ist über die Decks ein Gewächshaus angeordnet. So müssten die künftigen Raumfahrer:innen auch nicht auf frisches Obst und Gemüse verzichten. Damit im Falle eines Schädlingsbefalls nicht die gesamte Ernte verloren ist, sind die einzelnen Segmente voneinander getrennt.

Rendering Airbus LOOP; © Airbus Defence & Space
Rendering Airbus LOOP;
© Airbus Defence & Space

Dem Zeitgeist entsprechend verzichtet Airbus auf proprietäre Dockingsysteme. So soll LOOP mit allen heutigen und zukünftigen Besatzungs- und Frachtfahrzeugen kompatibel sein. Diesen Ansatz verfolgt unter anderem auch The Exploration Company mit ihrem Raumschiff Nyx, für das sich das Unternehmen Anfang des Jahres die Rekordsumme von 40,5 Mio. Euro Finanzierung sichern konnte.

Rendering Airbus LOOP mit aufblasbarem Modul und angedocktem Raumschiff;
© Airbus Defence & Space
Rendering Airbus LOOP mit aufblasbarem Modul und angedocktem Raumschiff;
© Airbus Defence & Space

Eines der veröffentlichten Bilder zeigt eine mögliche Konfiguration, wie sie später im All stattfinden könnte. So ist an LOOP ein aufblasbares Modul von Spartan Space angebracht. Daran wiederum befindet sich ein Raumschiff, das stark dem Raumschiff Orion ähnelt. Diese Ähnlichkeit ist sicher kein Zufall, immerhin zeichnet Airbus Defence & Space für das zugehörige ESM (European Service Module) verantwortlich. Zudem besteht die Möglichkeit, mehrere Orbital-Module miteinander zu einer großen Raumstation zu verbinden.

LOOP ist mehr Science und weniger Fiction

Der Bezeichnung Mehrzweck-Orbitalmodul trägt das Konzept auch durch seine Einsatzorte Rechnung. Laut Unternehmensangaben soll es nicht nur im erdnahen Orbit einsetzbar sein, sondern auch in einer Umlaufbahn um den Mond. Und selbst für die Reise zum Mars könnte es geeignet sein. Bis eine Crew sich jedoch auf den Weg zu unserem Nachbarplaneten macht und in LOOP entspannte Tage verbringt, werden noch Jahre vergehen. Letztlich zeigt dieses Konzept aber vor allem, dass die Raumfahrt der Zukunft immer näher an die kühnen Ideen von Science Fiction rückt. Wie es scheint, ist im 21. Jahrhundert alles möglich. Vor allem in der modernen, privaten Raumfahrt.


Bisherige und aktuelle Raumstationen

#NameStartAbsturzBesetzte Tage
1Saljut 1 (UdSSR)19.04.197111.10.197124
2Saljut 2 (UdSSR)03.04.197328.05.19730
3Kosmos 557 (UdSSR)11.05.197322.05.19730
4Skylab (USA)14.05.197311.07.1979171
5Saljut 3 (UdSSR)24.06.197424.01.197515
6Saljut 4 (UdSSR)26.12.197402.02.197792
7Saljut 5 (UdSSR)22.06.197608.08.197767
8Saljut 6 (UdSSR)29.09.197729.07.1982683
9Saljut 7 (UdSSR)12.04.198207.02.1991816
10Mir (UdSSR)19.02.198623.03.20014594
11ISS (Internationale Kooperation)20.11.1998im Orbit8203*
12Tiangong 1 (China)29.09.201102.04.201821
13Tiangong 2 (China)15.09.201619.07.201930
14Chinesische Raumstation (China)29.04.2021im Orbit590*
Bisherige und aktuelle Raumstationen; *Stand 19.04.2023
Header Bild: Airbus Defence & Space
Verfasst von M. Weissflog
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