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Deutsches Zentrum für Astrophysik DZA kommt in Oberlausitz

Published on Fr, 30.09.2022 – 23:53 CEST in R&D, covering DZA
Dieser Beitrag in aller Kürze
Das Deutsche Zentrum für Astrophysik kommt in die Oberlausitz (Sachsen)
Mit der Ansiedlung des Großforschungszentrums sollen bis zu 4.000 Jobs entstehen
DZA-Konzept ruht auf drei Säulen (1) Astronomische Forschung, (2) Bündelung und Verarbeitung von Datenströmen sowie (3) Aufbau eines Technologiezentrums
Das DZA will Ostsachsen als Standort für einen Gravitationswellendetektor (Einstein-Teleskop) vorschlagen
Die Aufbauphase des DZA beträgt drei Jahre, erst danach formale Gründung

Das Konzept des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA) überzeugte die Jury im Wettbewerb „Wissen.schafft.Perspektiven“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und soll nun aufgebaut werden. Die Standorte des nationalen Großforschungszentrums sollen in Görlitz und Bautzen entstehen. Neben 1.000 Arbeitsplätzen am DZA sollen auch bis zu 3.000 Stellen im Umfeld geschaffen werden. Ein Hoffnungsschimmer für die vom Strukturwandel besonders betroffene Region im Osten Sachsens.

Status Quo & Was geplant ist

Seit dem von der Bundesregierung beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung ist klar: Sachsens Oberlausitz steht vor einem massiven Strukturwandel. Mehr als 9.000 direkt oder indirekt mit dem Braunkohletagebau verbundene Jobs werden in den kommenden Jahren wegfallen. Mehr denn je sind also Ideen gefragt, wie der Wirtschaftsstandort gestärkt werden kann. Neben der Verabschiedung des “Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen” durch den Bundestag lobte das BMBF auch einen Ideenwettbewerb aus, für dessen erste Förderphase sechs Projekte empfohlen wurden. Eines davon ist das DZA, dass nun als Großforschungszentrum entstehen soll. Nach der Aufbauphase ist dafür in der Endausbaustufe eine jährliche Förderung von rund 170 Mio € vorgesehen.

Von der ESA zum DZA

Bisher existiert das DZA jedoch nur auf dem Papier in Form eines Konzeptes. Entwickelt wurde es von einer gemeinsamen Initiative der Astronomie und Astroteilchenphysik in Deutschland. Dieser gehören viele namhafte Wissenschaftler:innen an, die von den großen deutschen Wissenschaftsorganisationen unterstützt werden. Federführend für die Initiative und designierter Gründungsdirektor des DZA ist Prof. Dr. Günther Hasinger. Der 68-Jährige Astrophysiker ist in der Branche kein Unbekannter, denn er ist wissenschaftlicher Direktor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Zwar beeindruckt die hochkarätige Besetzung, doch ein Garant für den Zuschlag war dies keinesfalls.

Prof. Dr. Günther Hasinger, Wissenschaftlicher Direktor ESA & designierter Gründungsdirektor DZA, © Deutsches Zentrum für Astrophysik
Prof. Dr. Günther Hasinger; © Deutsches Zentrum für Astrophysik

Nach einem eineinhalbjährigen anspruchsvollen Verfahren, in dem unser Konzept auf Herz und Nieren geprüft wurde, sind wir glücklich, dass wir unser Vorhaben jetzt umsetzen können. Die sächsische Lausitz ist aus vielen Gründen ein idealer Ort dafür. Wir danken allen, die uns bis hierher unterstützt haben und freuen uns auf die weitere künftige Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Günther Hasinger, Wissenschaftlicher Direktor ESA & designierter Gründungsdirektor DZA

Albert Einsteins Vermächtnis trifft auf Lausitzer Granit

Einer der vielen Gründe, die Hasinger erwähnt, ist die Nähe zur Landeshauptstadt Dresden – und damit zu einer etablierten Hightech-Region. Die TU Dresden genießt als eine von nur elf Exzellenzuniversitäten Deutschlands internationales Renommee. Zudem verfügt sie über ein eigens Institut für Luft- und Raumfahrttechnik. Unter dem Slogan Silicon Saxony haben zudem zahlreiche Unternehmen der Halbleiterindustrie einen Standort in Dresden. Für Sachsen spricht laut DZA aber auch und vor allem die geologische Beschaffenheit. Denn das Granitgestein der Lausitz bietet einzigartige seismographische Bedingungen. Daher wurde bereits während der Konzeptphase in der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal (zwischen Dresden und Bautzen) eine Probebohrung durchgeführt. Wie das DZA mitteilt, soll hier das Low Seismic Lab – ein Untergrundforschungslabor – entstehen. Wie groß die Ambitionen sind, zeigt sich auch darin, dass die Lausitz als Standort für das Einstein-Teleskop vorgeschlagen werden soll. Bestenfalls könnte dann im Osten Sachsens das Verschmelzen von Schwarzen Löchern detektiert werden.

Künstlerische Darstellung des Einstein-Teleskops, einem Gravitationswellen-Detektor der 3. Generation, den das DZA gern in Sachsen bauen lassen würde; © NIKHEF
Einstein-Teleskop, Gravitationswellen-Detektor der 3. Generation;
© NIKHEF

Die drei konzeptionellen Säulen des DZA

Das im Wettbewerb eingereichte Konzept des DZA ruht auf drei Säulen. Die Astronomische Spitzenforschung soll sich über das gesamte elektromagnetische Spektrum bis hin zu Gravitationswellen erstrecken. Während der Fokus in der Anfangsphase auf Radio- und Gravitationswellenastronomie liegt, will sich das DZA langfristig allen astronomischen Daten widmen.

Eine weitere Säule bildet die Bündelung und Verarbeitung von Datenströmen aus aller Welt. Dies schließt explizit auch Daten ein, die von zukünftigen Teleskopen wie dem Square Kilometre Array Observatory (SKAO, Fertigstellung geplant für 2029) sowie dem Einstein-Teleskop (Standortentscheidung 2024/25) stammen. Erwartet wird, dass diese Teleskope einen “Daten-Tsunami” verursachen, den das DZA bändigen will. Als Nebeneffekt erhofft man sich, die Digitalisierung in Deutschland zu beschleunigen.

Dritte und letzte Säule des Deutschen Zentrums für Astrophysik soll ein Technologiezentrum werden. Hier sollen unter anderem neue Halbleitersensoren, Silizium-Optiken und Regelungstechniken für Observatorien entwickelt werden. Läuft alles wie geplant, sollen in Zukunft durch Ausgründungen weitere Arbeitsplätze vor Ort entstehen.

So geht es jetzt weiter

Die Entscheidung für das Deutsche Zentrum für Astrophysik als Großforschungszentrum ist gefallen. Die Standorte sollen sich dann in Görlitz sowie im Kreis Bautzen befinden. Als Kooperationspartner stehen dem DZA Universitäten, Unternehmen in der Technologieentwicklung und der Datenverarbeitung zur Seite. Auch mehr als 50 – in der Mehrzahl kleine und mittelständige – Firmen haben die Initiative des DZA unterstützt. Bis zur Eröffnung wird indes noch einige Zeit vergehen: Die Förderung sieht eine dreijährige Aufbauphase vor, bevor das Zentrum formal gegründet werden kann. In diesem Zeitraum wird die TU Dresden die Projektträgerschaft übernehmen. 


Übrigens…

[Kommentar M. Weissflog] Die Ansiedlung des DZA im Osten Sachsens ist eine Chance für die Oberlausitz. Auch wenn der Freistaat bisher nicht unbedingt als Raumfahrt-Standort bekannt ist, gibt es hier doch eine gewisse Tradition, auf die man zurückblicken kann. Doch genau in dieser permanenten Rückschau liegt auch eines der größten Probleme Sachsens: Die bisweilen fehlende Vision für die Zukunft. Angesichts der aktuellen Energiekrise werden Rufe nach einem Ausstieg vom Ausstieg der Kohleverstromung lauter – und kommen auch aus den Reihen der Spitzenpolitik. Dass diese nun ein Großforschungszentrum mit klarem Bezug zur Weltraumforschung dort etablieren wollen, wo sich derzeit noch riesige Bagger durch die Landschaft graben, macht Hoffnung.

Denn schon heute ist klar: Die hinterlassenen Krater einfach mit Wasser zu füllen und eine weitere Seen-Landschaft als touristisches Highlight zu schaffen, wird nicht ausreichen. Ebenso wenig, wie Wissenschaftler aus aller Welt in eine ansonsten abgehangene Region zu locken, in der sie dann nur unter sich bleiben. Vielmehr braucht es den Willen aller Beteiligten, das DZA zu einem Zentrum inmitten der Bevölkerung zu entwickeln. Als einen Ort, an dem die spannende Reise in die Zukunft beginnt und zu der alle mitkommen dürfen. Ziel muss es sein, dass möglichst viele Menschen möglichst lange von der Entscheidung für ein Deutsches Zentrum für Astrophysik profitieren. Dann, und nur dann, ist das DZA nicht nur eine Chance für die Oberlausitz, sondern für die gesamte Menschheit.

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Verfasst von M. Weissflog
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