Raumstation Starlab: Joint Venture zwischen Voyager Space und Airbus zum Bau und Betrieb gegründet
Published on Thu, 03.08.2023 – 10:12 CEST in Cooperations, covering Airbus Defence & SpaceSeit 1998 befindet sich die Internationale Raumstation ISS im Orbit, seit 2. November 2000 ist sie dauerhaft bewohnt. Ursprünglich war sie auf eine Betriebszeit von 20 Jahren ausgelegt, soll aber bis zum Ende dieses Jahrzehnts weiterbetrieben werden. Ein möglicher Nachfolger soll die kommerzielle Raumstation Starlab werden. Ein jetzt geschlossenes Joint Venture zwischen Voyager Space und Airbus soll die Entwicklung weiter voran bringen.
Alle nach der Jahrtausendwende Geborenen kennen keine Welt ohne die Internationale Raumstation ISS. Doch so vertraut die Existenz des Außenpostens der Menschheit im Orbit auch ist, so sehr ist ihr Ende bereits besiegelt. Ursprünglich hätte sie bereits um das Jahr 2020 in Rente geschickt werden sollen, doch bis heute umrundet sie in knapp 90 Minuten einmal die Erde. Nach aktuellem Stand soll nun Ende der 2020er Jahre aber definitiv Schluss sein und die ISS kontrolliert zum Absturz gebracht werden. Es bleiben also noch knapp fünf Jahre Zeit, einen oder mehrere Nachfolger ins All zu bringen. Eine davon soll die kommerzielle Raumstation Starlab sein, für deren Bau und Betrieb Nanoracks, Voyager Space und Airbus Defence and Space verantwortlich zeichnen.
Kommerzielle Raumstationen der Zukunft: Millionenförderung statt Milliardeninvestition
Für eine neue Raumstation möchte die NASA ihren Erfolg des Commercial Crew and Cargo Program (C3P) wiederholen. Der Ansatz damals: Anstatt eigene Technologien zum Transport von Astronaut:innen und Nutzlasten ins All zu entwickeln, wurden privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragt. Diese erhielten Gegenzug staatliche Fördergelder. Größter Gewinner des C3P ist SpaceX, das mittlerweile mehr oder minder zum Sinnbilder US-amerikanischer Raumfahrt geworden ist. Für die Vereinigten Staaten hat sich das Programm ebenfalls gelohnt. Wie CNBC schrieb, konnte die NASA so schätzungsweise 20 bis 30 Milliarden US-Dollar einsparen. Die Internationale Raumstation ISS hingegen kostet die Raumfahrtbehörde Schätzungen zufolge rund drei bis vier Milliarden US-Dollar pro Jahr. Hinzu kommen geschätzte Kosten für den Aufbau von circa 100 Milliarden US-Dollar. Angesichts dessen wirken die 415,6 Mio. US$ Fördergelder für das Commercial low Earth Development Program fast schon wie Peanuts.
Bereits im Dezember 2021 erhielt Voyager über Nanoracks 160 Millionen US-Dollar, um eine frei fliegende, permanent besetzte Raumstation zu entwickeln. Alle weiteren entstehenden Kosten müssen über andere Wege gedeckt werden. Das Finanzierungsmodell kommerzieller Raumstationen ist simpel: Wer sie nutzen will, bezahlt dafür Geld. Damit ersparen sich Raumfahrtbehörden und -agenturen einerseits den Aufwand, den sie bisher als Konstrukteure, Betreibende und Benutzende in einer Person haben. Andererseits werden Raumstationen so auch weiteren Nutzenden zugänglich. Ob es zukünftig mehr Forschung oder Tourismus im Orbit gibt, wird sich noch zeigen.
Deglobalisierung im Weltraum
Wie auf der Erde setzt nun auch langsam aber sicher in der Raumfahrt eine gewisse Deglobalisierung ein. Ist die ISS noch ein Gemeinschaftsprojekt von NASA (USA), ESA (Europa), Jaxa (Japan), Roskosmos (Russland) und CSA (Kanada), deutet derzeit alles darauf hin, dass bald auch im Orbit Claims abgesteckt werden. China hat nach zwei Tests (Tiangong-1, 2011-2018; Tiangong-2, 2016-2019) mit der “Chinesischen Raumstation” bereits ein eigenes Habitat im All. Russland will 2025 mit dem Aufbau der “Russischen Orbitalen Servicestation” beginnen, die indische ISRO plant den Aufbau einer eigenen Station ab 2035.
Im Rahmen des Commercial low Earth Development Program schickt die NASA mit Orbital Reef (u.a. Blue Origin, Sierra Space und Boeing), Starlab (Nanoracks, Voyager Space, Airbus) und der Commercial Space Station (Northrop Grumman und Dynetics) gleich drei Kandidaten ins Rennen. Hinzu kommen nicht geförderte Projekte von Axiom Space und Vast, irgendwann vielleicht sogar die Voyager Space Station der Orbital Assembly Corporation.
Starlab als transatlantisches Projekt geplant
Mit Blick auf die europäische Raumfahrt bekommt das jetzt gegründete Joint Venture besonderes Gewicht. Denn während die ESA direkt am Bau sowie Betrieb der ISS beteiligt ist und damit immer einen Platz für Astronaut:innen sicher hatte, müssen diese in Zukunft gekauft werden. Und wie in einer Marktwirtschaft üblich, wird der Markt auch die Preise dafür festlegen. Pläne, eine eigene europäische Raumstation aufzubauen, gibt es nicht. Nichtsdestotrotz soll Starlab eine internationale Kooperation sein, die auf den Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten ISS fußt.
Die Internationale Raumstation gilt in der Geschichte weithin als die erfolgreichste Plattform für globale Zusammenarbeit, und wir wollen mit Starlab auf diesem Erbe aufbauen. Wir gründen dieses Joint Venture, um die Nachfrage der globalen Raumfahrtagenturen zuverlässig zu bedienen und gleichzeitig neue Möglichkeiten für kommerzielle Nutzer zu eröffnen.
Matthew Kuta, President Voyager Space
Jean-Marc Nasr, Leiter von Space Systems bei Airbus, betont, dass das transatlantische Projekt sowohl die Interessen von Voyager und Airbus als auch der jeweiligen Raumfahrtagenturen NASA und ESA vereinen soll. Dazu wird es neben dem Hauptquartier in den USA auch eine europäische Joint Venture-Tochtergesellschaft mit direktem Zugang für die ESA sowie den nationalen Raumfahrtbehörden geben. “Es ist ein Wegbereiter für eine fortgesetzte europäische und amerikanische Führungsrolle im Weltraum, die die Menschheit voranbringt. Gemeinsam konzentrieren sich unsere Teams darauf, etwas Einzigartiges im Weltall zu schaffen, sowohl in technologischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht,” so Nasr.
Eine neue Raumstation klingt zweifelsohne nach viel Zukunftsmusik. Doch im Juni 2023 hat Starlab mit Bestehen des System Requirements Reviews einen kritischen Programm-Punkt passiert und einen wichtigen Meilenstein erreicht. Gut möglich also, dass die ISS bald ruhigen Gewissens in ihren wohlverdienten Ruhestand geschickt werden kann.