Pentagon vermutet Stationierung russischer Weltraumwaffe im Orbit
Published on Fri, 24.05.2024 – 15:33 CEST in Politics, covering WeltgeschehenDer Konflikt um die Stationierung von Waffen im Weltraum spitzt sich weiter zu. Das Pentagon äußerte nun die Vermutung, dass Russland mit dem Start einer Soyuz-Rakete am 16. Mai 2024 einen Satelliten in den Orbit brachte, der als Weltraumwaffe eingesetzt werden kann. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow bezeichnete dies umgehend als “Fake News”.
Eigentlich sollte im UN-Sicherheitsrat über eine von Russland überarbeitete Resolution zur Sicherheit im Weltraum abgestimmt werden. Diese war notwendig geworden, weil eine im April eingebrachte UN-Resolution gegen Nuklearwaffen im Weltraum am Veto Russlands scheiterte. Dem Sicherheitsrat lag am 21. Mai 2024 ein überarbeitetes Papier vor, dessen Annahme jedoch erneut scheiterte.
Wie üblich erklärten Vertreter der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ihre Position zur Resolution. Es war zu erwarten, dass der Vertreter der Russischen Föderation, Vasily Alekseyevich Nebenzya, noch einmal auf den 24. April zu sprechen kommt. Und das tat er. Ihm zufolge hätte die Abstimmung den Versuch des Westens gezeigt, die Russische Föderation in ein schlechtes Licht zu rücken. Zudem würde man einen Aktionsplan unterstellen, den es gar nicht gäbe. Um keine Zweifel an der Integrität Russlands aufkommen zu lassen, gab er sich besonders großherzig. So habe Moskau beschlossen, den westlichen Ländern (die im April gegen den Änderungsantrag Russlands stimmten) eine weitere Gelegenheit zu geben, “den friedlichen Charakter ihrer Absichten zu demonstrieren.” Zudem betonte er, dass die vorliegende Resolution im Gegensatz zum “offenkundig politisierten” amerikanisch-japanischen Entwurf dazu beitrage, die ausschließlich friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums zu gewährleisten.
Keine Unterstützung für “unaufrichtige” Resolution
So sei der vorliegende Entwurf denn auch umfassend und spiegele die “Interessen und Bestrebungen einer überwältigenden Mehrheit” der UN-Mitglieder wider, sagte Nebenzya. Mit Bezug auf den Weltraumvertrag bekräftigte er die Verpflichtung der Staaten, keine Waffen – auch keine Massenvernichtungswaffen – im Weltraum zu stationieren. Die Abstimmung selbst bezeichnete er als “einzigartigen Moment der Wahrheit für unsere westlichen Kollegen.” Denn eine Nichtunterstützung des Textes würde zeigen, dass diese Länder ihre Fähigkeit zur Militarisierung des Weltraums beibehalten wollen.
Dem widersprach Robert Wood, Vertreter der Vereinigten Staaten im UN-Sicherheitsrat. Er betonte, dass Russland vielmehr versucht, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von der Entwicklung eines neuen Satelliten abzulenken, der einen Atomsprengsatz trägt. Zudem warf Wood Russland vor, dass der “eilig verfasste Text” keinesfalls Artikel IV des Weltraumvertrages bekräftige. Aus diesem Grund werde man diese unaufrichtige Resolution auch nicht unterstützen.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren.
Art. IV, Outer Space Treaty (Weltraumvertrag)
Wood: Russland verfügt über Weltraumwaffe
Bis zu diesem Punkt hielt sich die politische Sprengkraft im Rahmen des Erwarteten, doch Wood setzte nach. Sein Vorwurf: Der am 16. Mai 2024 von Russland gestartete Satellit sei eine Weltraumwaffe, der in der Lage ist, andere Satelliten im erdnahen Orbit anzugreifen. Zu dieser Einschätzung komme zumindest die US-amerikanische Regierung. Dafür spräche Wood zufolge auch, dass das Raumfahrzeug in der selben Umlaufbahn wie ein US-amerikanischer Satellit stationiert ist. Auf den ersten Blick hört sich die Angst vor einem bewaffneten Konflikt im Weltall auch 2024 nach reiner Science Fiction an. Doch darf man dabei nicht vergessen, dass Russland bereits erfolgreich (einen eigenen, ausgedienten) Satelliten abgeschossen hat. China hingegen hat bereits bewiesen, dass sich Satelliten gezielt kapern und in einen anderen Orbit bringen lassen. Die Sorge der Amerikaner ist also keineswegs unbegründet.
In seiner Ausführung erinnerte Wood an das Veto der Russischen Föderation gegen eine von 13 Ratsmitgliedern unterstützte Resolution. Ebenso an Putins öffentliche Erklärung, Moskau habe nicht die Absicht, Atomwaffen im Weltraum einzusetzen. „Wenn das der Fall wäre, hätte Russland kein Veto gegen die Resolution eingelegt“, sagte er.
“Ja, ich habe Ihren schlechten Text gelesen”
Ein Vorwurf, den der Vertreter der Russischen Föderation nicht auf sich sitzen lies. Er bat seinen US-amerikanischen Amtskollegen um eine Erläuterung, was an dem vorgeschlagenen Text zu beanstanden sei. Immerhin habe dieser den gleichen Wortlaut wie der bereits am 24. April vorgeschlagene. Und im Unterschied zur vorliegenden Resolution würden damit sämtliche Waffen im Weltraum geächtet, nicht nur Massenvernichtungswaffen. Auf den Hinweis, die Mängel der eingebrachten Resolution zu beachten, antwortete Wood: “Ja, ich habe Ihren schlechten Text gelesen. Wir haben diesen Film bereits gesehen.” Anschließend schlug er vor, der UN-Sicherheitsrat möge über den Text entscheiden.
Wie schon bei der Abstimmung über die Änderung des Textes im April stimmten mit Algerien, Ecuador, China, Guyana, Mosambik, der Russischen Föderation und Sierra Leone sieben Mitglieder für die Resolution. Frankreich, Japan, Malta, Südkorea, Slowenien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten stimmten dagegen. Die Schweiz enthielt sich abermals, wodurch die Resolution auch im zweiten Anlauf nicht angenommen wurde.
Pro und Contra sind eine Frage des Kontexts
Wer aus welchem Grund für oder gegen die Resolution gestimmt hat, ist nicht immer einfach zu verstehen. Die Statements der Vertretenden können jedoch helfen, die Entscheidung einzuordnen. So habe die Delegation Algeriens für den Text gestimmt, da dieser mit der langjährigen Position des Landes zur friedlichen Nutzung des Weltraums übereinstimme. Das unterstrich auch der Vertreter Guyanas und betonte zudem die Notwendigkeit, dieses „gemeinsame globale Gut“ vor Rüstungswettläufen zu schützen. Schließlich bedrohen sie die Sicherheit und behindern Entwicklungsprogramme. Die Bedenken einiger Ratsmitglieder bezüglich des fehlenden Konsenses erkannte der Vertreter Sierra Leones an. Jedoch sei die Annahme einer Resolution zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum ein entscheidender Schritt.
Viele der Mitglieder, die gegen die Resolution stimmten, wiesen auf den Mangel an Konsens hin. Japans Vertreter rügte die Russische Föderation, weil sie einen Text zu diesem Thema vorschlugen, den die Mehrheit der Vereinten Nationen nicht mittragen würde. Der Vertreter Maltas bedauerte, dass ein ständiges Ratsmitglied zuerst eine Resolution zu diesem Thema mit einem Veto abgelehnt habe, nur um dann seinen eigenen Text zu demselben Thema vorzulegen. Dem schloss sich der Vertreter Südkoreas an und hob einen weiteren Streitpunkt hervor. Angesichts der Doppelnutzung vieler Weltraumsysteme sei es sehr schwierig, eine „Weltraumwaffe” zu definieren.
Jeder Satellit im Orbit könnte als Weltraumwaffe missbraucht werden
In der Tat fällt es schwer, eindeutige Grenzen zu ziehen. Vor allem die vor langer Zeit gestarteten Satelliten sind mit mittlerweile veralteter Hard- und Software ausgestattet. Für Hacker stellen sie damit ein lohnenswertes und leicht erreichbares Ziel dar. Darauf wies bereits im April 2023 während der CYSAT Dr. Sabine Phillip-May von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR hin. In ihrer Session erläuterte sie, dass schon Hardware im Wert von 1.000 Euro ausreichen würde, um einen Satelliten hacken zu können. Das klingt zwar bei Weitem nicht so spektakulär wie Satelliten, die entführt werden oder Kämpfe mit Lasern im All. Aber das gezielte Verändern von Orbits könnte katastrophale Auswirkungen haben und käme einem mit Vollgas fahrenden Geisterfahrer auf der Autobahn gleich. Die Frage wäre nicht, ob etwas passiert, sondern wann und wo. Bei einer Relativgeschwindigkeit von gut 28.000 km/h bliebe auch nicht viel übrig, die entstehenden Trümmerteile könnten eine Kettenreaktion auslösen.
Frankreich zeigte sich erstaunt über das Vorgehen der Russischen Föderation. So habe Russland eine Resolution abgelehnt, deren Text es als Inspiration für einen eigenen Entwurf nutzte. Der Vertreter des Vereinigten Königreichs fragte, warum dieser Entwurf zur Abstimmung vorgelegt wurde und ergänzte: “Wenn dies von einem Land kommt, das so viele Verpflichtungen im Bereich der Rüstungskontrolle missachtet hat, dann ist das ein Alarmzeichen.“
Ein bestimmtes Land hat den Weltraum als ‘Kriegsgebiet’ definiert und beschleunigt den Aufbau seiner ‘Space Force’.
Fu Cong, Repräsentant Chinas bei den Vereinten Nationen
Abstimmung über Weltraumwaffen als politische Machtdemonstration
Der Vertreter Chinas ging gegenüber den USA in die Offensive. Er nannte zwar keine Namen, aber der Hinweis auf eine “Space Force” dürfte deutlich genug gewesen sein, um den USA vorzuwerfen, den Weltraum bereits zum Kriegsgebiet erklärt zu haben. Angeblich verfügten die Vereinigten Staaten auch längst über eine offensive Weltraumwaffe. Mit einer gewissen Doppelzüngigkeit fügte er seinen Ausführungen hinzu, dass es langfristige Bemühungen erfordern werde, um Konsens zu erzielen.
Russland zeigte sich mit Ergebnis zufrieden
Spätestens mit der Reaktion Russlands auf die Abstimmung wurde die gesamte Diskussion um die Resolution zu einem politischen Krimi. Denn obwohl gegen den Antrag gestimmt wurde, zeigte sich der russische Vertreter Nebenzya mit dem Ergebnis zufrieden. Jenseits der Zahlen zeige sich eine “Wasserscheide zwischen denen, die sich für die friedliche Nutzung des Weltraums einsetzen, und denen, die auf eine Militarisierung” des Weltraums zusteuern. Die Versuche der westlichen Staaten, ihr Vorgehen mit der “angeblich nicht konsensfähigen Natur unseres Entwurfs” zu rechtfertigen, seien zynisch und heuchlerisch, betonte er. Wie er erklärte, sei der wahre Grund banal: “Sie wollen einfach ihren Spielraum behalten, um den Weltraum für militärische Zwecke zu nutzen“.
Ergebnis vorab klar, Abstimmung politisiert UN-Sicherheitsrat
Auf den Punkt brachte es schließlich José Javier De la Gasca Lopez Domínguez, der Vertreter Ecuadors. Der vorliegende Text basiere auf einem Entwurf, der bereits am 24. April mit einem Veto abgelehnt wurde. Ergänzt um Text aus einem Änderungsantrag, dessen Annahme bereits ebenfalls abgelehnt wurde. Insofern sei das Ergebnis der zweiten Abstimmung weitgehend vorhersehbar gewesen. Er stellte die Frage in den Raum, warum der UN-Sicherheitsrat durch einen nutzlosen Prozess geführt wird, wenn das Ergebnis bereits bekannt war. Zudem forderte er, dass der Rat nicht politisiert und “als nur eine weitere Arena genutzt werden solle, die die heutigen geopolitischen Spannungen offenlegt.”