HyImpulse SR75: Countdown für Start läuft
Published on Thu, 02.05.2024 – 16:10 CEST in Upstream, covering HyImpulseAls erstes deutsches Microlauncher-Startup steht HyImpulse kurz vor dem Jungfernflug der Subortibalrakete SR75. Das Startfenster ist noch bis zum 6. Mai 2024 geöffnet, die letzten Tests auf dem Trägerraketen-Testgelände Koonibba in Australien laufen. Aufgrund der aktuellen Wetterbedingungen ist der Start aktuell für Freitag, den 3. Mai 2024 zwischen 00:00 und 07:30 Uhr MESZ angesetzt. Mit einem erfolgreichen Launch könnte HyImpulse Geschichte schreiben.
Mit dem geflügelten Wort “Light this candle” fiebern Raumfahrt-Enthusiasten weltweit dem Start von Raketen entgegen. Doch nie zuvor waren diese drei Worte so treffend, wie bei den Raketen von HyImpulse. Denn das deutsche NewSpace-Startup mit Sitz im baden-württembergischen Neuenstadt setzt auf Paraffin als Treibstoff, das gemeinhin als Kerzenwachs bekannt ist. Das Team um Christian Schmierer und Mario Kobald (beide Co-Founder & Co-CEO) arbeitet bereits seit Jahren daran, diese Technik zum Einsatz zu bringen. Nach erfolgreichen Triebwerkstests soll nun auch das Gesamtsystem zeigen, dass dieser Ansatz einen festen Platz in der modernen Raumfahrt verdient hat.
HyImpulse SR75 soll 250 kg Nutzlast in 60 km Höhe bringen
Die SR75 hat eine Höhe von 12 Metern und bringt 2,5 Tonnen auf die Waage. Damit ist sie ein waschechter Microlauncher, den man per se nicht 1:1 mit bereits etablierten Raketen wie zum Beispiel einer Falcon 9 (SpaceX) vergleichen kann. Dennoch kann sich die Leistung der SR75 sehen lassen. Beim Erstflug sollen 250 kg Nutzlast in eine Höhe von 60 Kilometern transportiert werden. Theoretisch könnten auch 250 Kilometer erreicht werden, aus regulatorischen Gründen reicht der Jungfernflug jedoch in nur rund ein Viertel der maximalen Höhe. Weil der Weltraum per Definition aber erst in 100 km Höhe beginnt, kann HyImpulse zwar selbst bei einem erfolgreichen Start noch keinen Orbitalflug verbuchen. Für die Mission an sich ist das jedoch kein Manko. Denn wie groß das Vertrauen in das Team sind, zeigt sich nicht zuletzt an den mitgeführten Nutzlasten. An Bord sind Experimente zur Mikrogravitation (unter anderem von Yuri), Atmosphärenphysik und Teleskopmissionen.
Denkbar ist laut HyImpulse auch, die SR75 als Booster für andere Raumfahrzeuge einzusetzen. Ohnehin ist das Ziel des Teststarts, zuverlässige Praxis-, Leistungs- und Flugdaten über das Antriebs- und Steuerungssystem zu erhalten. Die gewonnen Daten sollen dann in die endgültige Entwicklung und Abstimmung der dreistufigen SL-1 einfließen. Diese Orbitalrakete ist mit 32 Metern Höhe, einem Gewicht von 50 Tonnen und bis zu 600 kg Nutzlastkapazität deutlich größer.
Better safe than sorry: Kerzenwachs als Treibstoff
Im Vergleich zu herkömmlichen flüssigen Raketentreibstoffen wie Hydrazin oder RP-1 ist Paraffin um ein Vielfaches kostengünstiger. Zudem ist es nachhaltiger und in der Nutzung sicherer, da der Treibstoff in fester Form vorliegt und aufgrund seiner Beschaffenheit nicht explodieren kann. In Kombination mit Sauerstoff als Oxidator entsteht daraus ein Hybrid-Treibstoff, der sich einfach handhaben lässt. Es ist sogar möglich, die bereits mit Treibstoff befüllte Rakete von A nach B – zum Beispiel von einer Integrationshalle zur Startrampe – zu bewegen. Zudem ist der Hybrid-Treibstoff ungiftig, weil im Falle einer Fehlfunktion der Sauerstoff in die Luft entweicht und das Paraffin als feste Masse geborgen werden kann. Dieses Mehr an Sicherheit wirkt sich natürlich auch auf die Versicherungskosten einer Mission aus. In der Regel schlagen diese mit 10 bis 20 Prozent der Gesamtkosten zu Buche. Daraus ergibt sich ein Wettbewerbsvorteil, weil der Start an sich für Endanwender günstiger wird.
Doch trotz all dieser Vorteile wird Paraffin bisher nicht als Standard-Treibstoff in Raketen eingesetzt. Das liegt zum großen Teil an den damit verbundenen, komplizierten Verbrennungsvorgängen. Erste Versuche, Paraffin als Treibstoff zu nutzen, gab es schon in den 1930er Jahren. Während die Technologie zu jener Zeit an ihre Grenzen stieß, wurde die Forschung in den 1960er Jahren wieder aufgenommen und in den 1990ern weiter intensiviert. Dass der Start einer kommerziellen Rakete mit Hybridantrieb nun kurz bevorsteht, ist auch der Pionierarbeit von HyImpulse zu verdanken.
Dritter im Microlauncher-Wettbewerb, Erster auf der Startrampe
Wie auch immer der Start der SR75 verläuft: HyImpulse sichert sich bereits jetzt den Sieg im Wettstreit darum, welcher deutsche Microlauncher-Hersteller zuerst startet. Im vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Mai 2020 gestarteten Microlauncher-Wettbewerb mussten die Baden-Württemberger noch Isar Aerospace (Platz 1) und Rocket Factory Augsburg (Platz 2) das Feld überlassen. Nun stehen sie als Erste auf einer Startrampe und sind dabei, Geschichte zu schreiben. Die deutsche NewSpace-Industrie erreicht damit einen wichtigen Meilenstein, dessen Bedeutung allen Akteuren deutlich ist. So liest sich auch die Liste der Glückwünsche zum anstehenden Launch wie das How-is-who der Branche und politischen Entscheidungsträger. Auch die Raumfahrt-Community verfolgt jeden Schritt von HyImpulse aufmerksam – und wird zum Space Creator Day 2024 mehr denn je jedes noch so kleine Detail wissen wollen. Doch davor gilt: “Light this candle!”