UN-Resolution gegen Nuklearwaffen im Weltall scheitert an Russlands Veto
Published on Thu, 25.04.2024 – 21:50 CEST in Politics, covering WeltgeschehenDer 1967 geschlossene Weltraumvertrag untersagt in Artikel 4 die Stationierung von Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen im Weltraum. Mit seiner allerersten Resolution zum Weltraum wollte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen diesen Grundsatz untermauern. Doch wie zu erwarten war, scheiterte das Vorhaben am Widerstand Russlands. Nun sorgt das russische Veto nicht nur für Verärgerung, sondern bietet auch Platz für Spekulationen.
Ziel der eingebrachten Resolution war es, ein Wettrüsten im Weltall in all seinen Formen zu verhindern. Dem jedoch widersprach ein Vertreter Russlands und warf dem UN-Sicherheitsrat vor, erneut in ein „schmutziges Spektakel, das von den USA und Japan vorbereitet wurde“, verwickelt zu sein. Er unterstellte den USA, Japan und ihren Verbündeten, mit der eindeutigen Benennung von Nuklearwaffen nur Rosinen herauszupicken, um “ihr mangelndes Interesse zu verschleiern“, den Weltraum frei von allen Arten von Waffen zu halten. Er verwies auch darauf, dass die Stationierung von Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen im Weltraum bereits im Weltraumvertrag geregelt sei. Für mehr Klarheit sollte die Resolution daher um einen Absatz ergänzt werden, dass nicht nur Nuklearwaffen im Weltall geächtet sind. Unterstützt wurde dieser Vorschlag unter anderem von China, das neben Russland bereits Waffen im Weltraum eingesetzt hat. Doch auch die USA und Indien sind in dieser Hinsicht keine unbeschriebenen Blätter.
Eine kurze Geschichte gezielter Satelliten-Abschüsse
Das Bestreben, Satelliten gezielt aus dem Orbit zu entfernen, gibt es beinahe genauso lang, wie es Satelliten gibt. Während des Kalten Krieges galt die Aufmerksamkeit vor allem Spionage-Satelliten, heutzutage sind Satelliten in vielen Bereichen nahezu unverzichtbar. Allerdings macht sie dieser Umstand zu einem lohnenswerten Angriffsziel wenn es darum geht, (militärische) Gegner zu schwächen. Was in der Theorie noch einfach klingt, ist in der Praxis jedoch nicht ganz trivial, immerhin bewegen sich Satelliten im erdnahen Orbit mit rund 28.000 km/h.
USA, Russland, Indien und China nutzten bereits Waffen gegen Satelliten
Dass es dennoch möglich ist, zeigten als erstes die USA. Ihnen gelang am 3. September 1985 der Abschuss von Solwind P78-1, einem ausgedienten Satelliten zur Messung von Röntgenstrahlung. Abgefeuert wurde die Rakete damals auf der Erde von einem Kampfjet des Typs F-15. Das amerikanische ASAT-Projekt wurde jedoch 1988 eingestellt. Am 11. Januar 2007 zog China nach und schoss erstmalig einen Satelliten von der Erdoberfläche aus ab. Ziel war damals der Wettersatellit Fengyun-1C; durch den Abschuss entstanden mehrere Tausend Trümmerteile.
Der außer Kontrolle geratene Spionage-Satellit USA 193 wurde im Februar 2008 von einer SM-3-Rakete aus dem Orbit entfernt, welche von der USS Lake Erie startete. Im März 2019 testete Indien erfolgreich eine Antisatellitenwaffe (ASAT) am erst zwei Monate zuvor gestarteten Satelliten Microsat-R. Großes Aufsehen erregte der Einsatz einer russischen ASAT-Waffe im November 2021, als damit der ausgediente Satellit Kosmos 1408 abgeschossen wurde. Das in der Folge entstandene Trümmerfeld gefährdete zeitweise die Sicherheit der Besatzung der Internationalen Raumstation ISS. Schätzungen zufolge befinden sich noch rund 17 Prozent der Trümmerteile im Orbit.
Politischer Schlagabtausch über Waffen im Weltraum
Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates hat Russland – wie China, Frankreich, die USA und das Vereinigte Königreich auch – ein Vetorecht und hätte die Resolution somit einfach kippen können. Da im Text aber explizit von Nuklearwaffen die Rede war, wäre dies einer unmissverständlichen Erklärung gleichgekommen, Atomwaffen im Weltraum stationieren zu wollen. Angesichts der derzeitigen geopolitischen Lage mag man sich die Konsequenzen einer solchen Botschaft kaum ausmalen.
Mit einem politischen Schachzug gelang es Russland (und China) jedoch, die Annahme der Resolution zu verhindern. Dafür wurde ein Änderungsantrag eingebracht, mit dem die Stationierung sämtlicher Waffen im All untersagt werden sollte. Das klingt in der Begründung zwar plausibel, unterminiert aber ein eindeutiges Verbot von Kernwaffen und den Führungsanspruch westlicher Staaten hinsichtlich der Sicherheit und des Verhaltens im Weltraum. Zudem steht der Vorschlag der beiden Länder im Widerspruch zur UN-Charta. Diese erlaubt nämlich die Anwendung von Gewalt zur Selbstverteidigung oder in Fällen, in denen sie vom Sicherheitsrat genehmigt wurde. Insofern war zu erwarten, dass zumindest die USA eine Änderung des Textes ablehnen würden.
“Nuklearwaffen im Orbit sind beispiellos, inakzeptabel und extrem gefährlich.”
Es zeichnete sich also ab, dass die Abstimmung einmal mehr ein Ringen der politischen Systeme werden würde. Wie Russland kritisierte auch China das gezielte Ächten von Kernwaffen im Weltraum und betonte, dass der eingebrachte Änderungsantrag alle Waffentypen umfasse und die baldige Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen multilateralen Abkommens vorsehe. Der chinesische Vertreter warb dafür, für den Änderungsantrag zu stimmen. Dieser mache den aktuellen Entwurf vollständiger, umfassender und ausgewogener.
Die Vertreterin der USA betonte hingegen, dass “kein Zweifel daran bestehen sollte, dass die Stationierung einer Nuklearwaffe im Orbit beispiellos, inakzeptabel und extrem gefährlich wäre“. Der Text erlaube es der internationalen Gemeinschaft zudem, sich mit aktuellen und aufkommenden Bedrohungen auseinanderzusetzen. So könne sichergestellt werden, dass keine Staaten Atomwaffen im Orbit stationieren, die eine ernsthafte Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellen. Der Vorschlag wurde von 62 weiteren Staaten unterstützt.
Schweiz bei Abstimmung zum Änderungsantrag Zünglein an der Waage
Schließlich stimmten Algerien, China, Ecuador, Guyana, Mosambik, Russland und Sierra Leone für die Änderung. Frankreich, Japan, Malta, Südkorea, Slowenien, das Vereinigte Königreich sowie die USA stimmten dagegen. Im Patt von sieben zu sieben Stimmen war die Schweiz nun das Zünglein an der Waage. Wie von den Eidgenossen zu erwarten enthielten sie sich, womit keine Mehrheit für die Änderung zustande kam und diese damit vom Tisch war. Das Schicksal der Resolution war nun zwar bereits mehr oder minder besiegelt, die Abstimmung darüber stand aber noch aus.
Wenn die Vereinigten Staaten wirklich so sehr für die Nutzung des Weltraums für friedliche Zwecke sind, warum haben Sie dann gegen unseren Änderungsantrag gestimmt, der ein Verbot der Platzierung von Waffen jeglicher Art im Weltraum fordert, nicht nur von Massenvernichtungswaffen?
Vasily Alekseyevich Nebenzya, Repräsentant Russlands bei den Vereinten Nationen
Nachdem der von Russland eingebrachte und von China unterstütze Änderungsantrag scheiterte, war abzusehen, dass einer von beiden sein Veto einlegen würde. Letztlich enthielt sich China – wohl auch, um weder die westlichen Staaten noch Russland zu sehr zu verärgern. Zur Begründung sagte der Vertreter Chinas, dass der Resolutionsentwurf unvollständig und unausgewogen sei. Auch spiegle er nicht vollständig das gemeinsame Interesse von 193 Mitgliedstaaten wider. Eine gefährliche Gratwanderung bleibt es dennoch, denn die Enthaltung wird als Unterstützung Russlands interpretiert. Russland stimmte wie erwartet gegen die Resolution, die übrigen 13 Länder dafür. So zeigte sich, dass es bei der Abstimmung nicht nur um Waffen im Weltraum ging, sondern auch um geopolitische Interessen.
“Diese Waffen bedrohen unsere Existenz und sollten vollständig abgeschafft werden.”
Die Schweiz enthielt sich zwar beim Änderungsantrag, stimmte aber für die Resolution. Der Vertreter bekräftigte die Unterstützung seines Landes für die Entwicklung rechtsverbindlicher Instrumente zum Verbot der Stationierung von Waffen, einschließlich konventioneller Waffen, im Weltraum. Dieser Resolutionsentwurf sei “ein Schritt in die richtige Richtung” und das Verbot der Entwicklung von Systemen, die speziell für die Stationierung im Weltraum bestimmt sind, wäre eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme gewesen.
Die Vertreterin Maltas, das im April die Ratspräsidentschaft innehatte, sagte, der Rat habe eine “gute Gelegenheit” verpasst, seine erste Resolution zum Weltraum zu verabschieden. “Diese Waffen bedrohen unsere Existenz und sollten vollständig abgeschafft werden“, betonte sie. Der Vertreter des Vereinigten Königreichs schlug in die gleiche Kerbe: “Es sollten keine Atomwaffen im Weltraum stationiert werden. Dem sollten alle Mitglieder des Rates zustimmen“.
Spekulationen um Entwicklung nuklearer ASAT-Waffen
Wäre die Resolution angenommen worden, hätte der UN-Sicherheitsrat Geschichte geschrieben. Schließlich bietet eine solche Erklärung das Potenzial, ein Wettrüsten im Weltraum in all seinen Aspekten zu verhindern. Mit seinem Veto heizt Russland nun Spekulationen darüber an, ob es derzeit nukleare ASAT-Waffen entwickelt oder gar Kernwaffen im Orbit stationieren will. So abwegig dieser Gedanke vor einigen Jahren noch sein mochte, so vorstellbar ist er jetzt. Denn vor allem im seit Februar 2022 währenden Angriffskrieg gegen die Ukraine hat der russische Präsident Vladimir Putin immer wieder rote Linien übertreten. Zudem wird er nicht müde, auf die nukleare Schlagkraft seines Landes zu verweisen. Wie sich zeigt, hält das den demokratischen Teil der Welt auf Abstand und verhindert aktives militärisches Einschreiten. Ob diese Rechnung auch bei Nuklearwaffen im Weltraum aufgeht, bleibt abzuwarten. Zu hoffen bleibt, dass der 1967 geschlossene Weltraumvertrag mehr als nur ein Stück Papier ist, das bisher 110 Staaten ratifiziert haben.